Ingolstadt
Der Anfang vom Ende

Leni Brem inszeniert den französischen Komödienhit "Das Abschiedsdinner" im Ingolstädter Altstadttheater

10.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr

Freundschaftsoptimierung heißt das Zauberwort in unserer kurzgetakteten Gegenwart. Mathilde (Margret Gilgenreiner) und Peter (Markus Fisher, rechts) wollen Anton (Toni Schatz) loswerden. - Foto: Voigt

Ingolstadt (DK) Jetzt ist er da, der Moment der Wahrheit, an dem alles auf den Tisch kommt. Dass Peter mit Antons Frau im Bett war. Dass er auf Zimmerpflanzen pinkelt. Dass er sich vor seiner Frau fürchtet. Dass Mathilde keinerlei Humor besitzt. So bricht es aus Anton heraus. Und Peter revanchiert sich: Dass diese Doktorarbeit, über der Anton seit Ewigkeiten brütet, keinerlei nützlichen Erkenntnisgewinn abwerfen werde. Und dass selbst eine 30-jährige Therapie bei so einem hypochondrischen Egozentriker nicht anschlage: "Dein Therapeut ist nicht an Darmkrebs gestorben, sondern an Erschöpfung", brüllt er.

Dabei hätte es doch eigentlich ein herrliches Abendessen werden sollen. Peter und Mathilde hatten alles geplant: eine Flasche Wein aus Antons Geburtsjahr, sein Lieblingsgericht, seine bevorzugte Sitar-Musik ("Jimi Hendrix von Bhutan") und andere Reminiszenzen an bessere Zeiten. Natürlich trägt Peter auch das afrikanische Hemd, das Anton ihm einst geschenkt hat. Also: Alles bereit für den perfekten gemeinsamen Abend. Nur dass es eben der letzte wäre.

Denn Peter und Mathilde planen ein Abschiedsdinner. Danach wollen sie sich nie wieder bei Anton und Bea melden. Denn die freundschaftlichen Gefühle sind längst versiegt. Und Peter hat zudem ausgerechnet, dass bei all den Verpflichtungen, die Beruf, Schule, Sport, Hobbys etc. von einem abfordern, nur noch wenig "VZF" (verfügbare Zeit für Freunde) bleibt. Nämlich gerade mal 24 Tage. Die will man nun wirklich mit echten Freunden verbringen. Also: weg mit den lästigen. Und dabei wollen die beiden nach Boris' Methode mit dem Abschiedsdinner vorgehen: ein letztes Fest - und dann Funkstille. Doch dann kommt Anton überraschend ohne Bea, die in einem mehrstündigen theatralen Happening feststeckt, trägt einen stinkenden Anorak, weil er seinen gerade mit einem Obdachlosen getauscht hat, und checkt sehr schnell, was die beiden da abziehen. Die Situation eskaliert.

Aber weil "Das Abschiedsdinner" von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière reichlich komödiantisches Konversationsfeuerwerk bietet, ist das für den Zuschauer natürlich ein Genuss. Leichthändig und mit einem sicheren Gespür für Timing hat Leni Brem das Stück im Altstadttheater in Szene gesetzt. Bei der Premiere am Donnerstagabend gab es dafür begeisterten Applaus.

Denn Markus Fisher als Peter, Margret Gilgenreiner als seine resolute Frau Mathilde und Toni Schatz als liebenswert neurotischer Freund Anton bilden ein wunderbares Trio, dem man einfach gern beim Lachen-Lieben-Lügen-Kämpfen-Schreien-Scheitern-Verzweifeln zusieht. Jeder der drei findet für seine Figur köstliche Seinszustände, allen voran Toni Schatz als Spezialist für finno-ugrische Sprachen, ein nervtötender Narzisst mit exaltierter Lache, der schon mal coram publico ungeniert an seinen Zehen puhlt und seine Sätze gern mit "Ich weiß nicht, ob du weißt . . ." beginnt. Und dabei spielt Toni Schatz seinen Anton mit einer tapsigen Langsamkeit, die den Zuschauer schnell aufs Glatteis führt. Denn wie er kurz darauf zum Gegenangriff startet, wie er die Freundschaft zu Peter mit einer Rollen- und Kleidertausch-Übung retten will (einer der Höhepunkte des Abends), das stellt schon den Nuancenreichtum seines Spiels unter Beweis. In Markus Fisher als wankelmütigem Peter, der am liebsten seine Ruhe hat und ansonsten alles unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet, und Margret Gilgenreiner als Mathilde mit ihrer trockenen Lakonik, hat er die perfekten Spielpartner für die äußert unterhaltsamen Wohnzimmer-Scharmützel.

Präzise führt Regisseurin Leni Brem ihre Schauspieler und gibt ein kluges Tempo vor für den fulminanten komödiantischen Schlagabtausch, der zwischen Woody Allen und Yasmina Reza oszilliert, der immer neue Finessen, subtile Garstigkeiten, drastische Wendungen und Blicke in seelische Abgründe bereithält. "Komisch ist alles, was scheitert", wissen wir von Loriot. An diesem Abend wird viel gelacht.

Weitere Vorstellungen am 23. November sowie am 2., 14., 21. und 31. Dezember. Karten in allen DK-Geschäftsstellen.