"Ich will keine Femme fatale sein"

Marianne Sägebrecht über Rollenauswahl und Reiselust – Nächste Woche tritt sie mit dem Programm "Mitten ins Herz" in Ingolstadt auf

05.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:52 Uhr
 1989 spielte Marianne Sägebrecht an der Seite von Michael Douglas im "Rosenkrieg". −Foto: 20th Century Fox

Ingolstadt (DK) Sie drehte „Zuckerbaby“, „Out of Rosenheim“, „Rosalie goes Shopping“ und „Der Rosenkrieg“. Sie war die resolute Köchin Marga Engel, Frau Holle und Gutemine in „Asterix und Obelix“. Sie stand mit Michael Douglas, John Malkovich und Gérard Depardieu vor der Kamera.

Unter dem Titel "Mitten ins Herz" begibt sie sich auf eine Reise von Bayern nach Amerika mit Texten von Oskar Maria Graf, Herbert Achternbusch, Sepp Bierbichler, Loriot - und trifft dort auf Thomas Mann und Bertolt Brecht. Unsere Redakteurin Anja Witzke hat sich mit Marianne Sägebrecht über das Reisen unterhalten. Und auch darüber, warum sie Woody Allen einen Korb gegeben hat.
 
Sie führte die Künstlerkneipe "Mutti Bräu" in Schwabing. Und sie schreibt. Marianne Sägebrecht. Für die durch Audi geförderte Reihe "Solo für Stars" hat die Schauspielerin nun mit dem Musikkabarettisten Josef Brustmann (Bairisch diatonischer Jodelwahnsinn) und der Akkordeonistin Maria Reiter (Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater) ein neues Bühnenprogramm entwickelt. Unter dem Titel „Mitten ins Herz" begibt sie sich auf eine Reise von Bayern nach Amerika mit Texten von Oskar Maria Graf, Herbert Achternbusch, Sepp Bierbichler, Loriot - und trifft dort auf Thomas Mann und Bertolt Brecht. Unsere Redakteurin Anja Witzke hat sich mit Marianne Sägebrecht über das Reisen unterhalten. Und auch darüber, warum sie Woody Allen einen Korb gegeben hat.

Frau Sägebrecht, reisen Sie gern?

Marianne Sägebrecht: Ja. Schon als Kind wollte ich immer reisen – vom Bach zum Fluss zum Strom zum Meer. Reisen bedeutet für mich eine große Sehnsucht – aber die hat sich in meinem Leben ja auch erfüllt.

Was ist Ihnen dabei wichtig: das Unterwegssein, die Begegnungen oder das Ankommen?

Sägebrecht: Eigentlich das Unterwegssein. Ich sehe auch das Leben als eine große Reise. Nächstes Jahr möchte ich nach Suriname reisen, in das Land meiner Kindheitsträume. Dazu ist auch eine Dokumentation geplant – über all das, was auf dem Weg und mit einem selbst passiert. Denn jeder Reisende bringt ja auch etwas mit – an Wünschen, Erwartungen, Entdeckerlust.

Was war denn bisher Ihre wichtigste Reise?

Sägebrecht: Ich glaube, es war die Entdeckung von „Good Old America“. Ein Amerika mit vielen Facetten – und jenseits aller Klischees. Von der Ostküste bis zur Westküste, von Kalifornien nach New York, das gerade so durchgeschüttelt wird. Aber auch Brasilien fand ich spannend. Ich durfte ja mit Paul Mazursky in Rio de Janeiro „Moon Over Parador“ drehen. Das Land und seine Menschen haben mich sehr berührt.

Gerade läuft Ihr neuer Film „Omamamia“ im Kino. Darin spielen Sie eine Frau, die auf eigene Faust nach Rom fährt, um den Papst zu treffen. Wie nahe ist Ihnen diese Figur?

Sägebrecht: Diese Marguerita hat ja wirklich gelebt. Sie ist in den 50er Jahren von München nach Kanada ausgewandert. Ihre Enkelin Claudia Casagrande hat darüber eine Hommage geschrieben, die letztlich die Idee für das Drehbuch gab. Wenn jemand schon mal etwas gewagt hat, und man geht diesen Weg hinterher, dann ist das schon etwas Besonderes. Ich bin auch so ein Mensch, der gern in die Welt hinausgeht. Vielleicht würde ich auch auswandern, wenn meine Familie nicht hier leben würde. Denn die Nähe zur Familie ist mir sehr wichtig. Aber ich bewundere diesen Mut, einfach loszugehen.

Wie wählen Sie Ihre Rollen aus? Wie muss ein Drehbuch, wie muss eine Figur sein, damit Sie zusagen?

Sägebrecht: Ich mache es mir nicht leicht. Und ich möchte auch nicht zu viel machen, weil mir das Schreiben ja genauso wichtig ist. Seit ich mich 1999 zurückgezogen habe, drehe ich nur noch einen Film pro Jahr. Aber wenn ich bei der Lektüre des Buches sofort das Gefühl habe: das kennt meine Seele schon, da kann ich mich voll hineingeben, dann sage zu. Die Rolle muss authentisch sein, darf nicht zu weit weg sein von meiner eigenen Person. Ich will keine Femme fatale sein – wie Greta Garbo. Ich schaue immer, dass es eine Volksfigur bleibt, damit man sich auch identifizieren kann. In meinen Büchern zeige ich dann die andere Marianne Sägebrecht, die Philosophin.

Sie haben Woody Allen einen Korb gegeben – und auch eine Rolle im Blockbuster „Harry Potter“ abgelehnt. Warum?

Sägebrecht: Damals war ich in Amerika und hatte gerade den „Rosenkrieg“ gedreht, als Woody Allens Agent kam und zu mir sagte: „Marianna – you got it. He took you.“ Ich wusste gar nicht, worum es ging. Es stellte sich heraus, dass es sich um „Shadows and Fog“ handelte, da hat er ja alle reingepackt: Madonna, Kathy Bates, John Malkovich. Aber ich hatte schon bei einem Symposium zum Autorenfilm mit Hans Abich in Baden-Baden zugesagt. Da gab’s nur Spesen, aber mich hat das sehr interessiert. Wieso sollte ich das absagen, bloß weil Woody Allen hereinplatzt und mir nicht mal sagen kann, worum es geht. So funktioniert das bei mir nicht.

Und bei „Harry Potter“?

Sägebrecht: Da konnte mir der Regisseur auch nicht sagen, welche Rolle ich spielen sollte – die „Fat Lady“ oder die Teufelin. Ich hätte mich sogar für ein Casting in London bereiterklärt – aber einfach einen Vertrag unterschreiben, ohne genau die Rolle zu kennen, das geht nicht. Ich bin nicht der Typ, der später sagt: Ach, das war nur ein Film und ich brauchte das Geld. Ich gebe meine Seele, mein Herz, meinen Körper, mein Hier und Jetzt, meine Zukunft und meine Vergangenheit in meine Rollen. Das ist den meisten Produzenten zu viel, aber ich möchte es so machen.

Der Film „Out of Rosenheim“ bedeutete Ihren internationalen Durchbruch beim Film. Wissen Sie eigentlich noch, was Sie sich von Ihrer Gage gekauft haben?

Sägebrecht: Ich habe meiner Schwester ein Auto gekauft, einen Opel Kadett – den gibt es heute noch. Und ich habe eine Freundin beim Wohnungskauf unterstützt. Bei mir ist es so: ein Teil gehört mir und meiner Familie und ein Teil wird still und leise verteilt. Ich nenne das immer: an der Naht reagieren.

Sind Sie eine Souvenirjägerin, die von wichtigen Drehorten etwas mitbringt? Haben Sie jetzt etwas aus Rom mitgebracht?

Sägebrecht: Nein, da passe ich sehr auf. Aus Rom habe ich allerdings einen wunderschönen handgemachten Rosenkranz mitgebracht – für meine Nachbarin, die Kuchenkönigin. Und ich durfte das Hochzeitskleid behalten. Das fand ich einfach sehr schön. Aber das war’s schon. Wenn ich in der Wüste bin, dann nehme ich vielleicht Steine mit. Ich liebe Steine über alles, die voll aufgetankt sind mit Leben und Mineralien.

Ihre literarisch-musikalische Reise, die Sie in Ingolstadt zeigen, beginnt am Starnberger See. Dort leben Sie heute wieder. Dort fand auch Ludwig II. einen skandalumwitterten Tod.

Sägebrecht: Ich habe mich als Kind ganz stark mit ihm auseinandergesetzt. Er war mein Märchenkönig. Und mein Vorbild. Denn ich hatte als Kind schon unglaublich viel Fantasie. Mein Lehrer hat immer zu mir gesagt: „Du bist eine kleine Scheherazade.“ Aber fast noch wichtiger war für mich damals Maurus Graf, der Bruder von Oskar Maria Graf. Wir haben als Kinder oft in der Bäckerei der Familie Graf mitgeholfen, durften dann auch Semmeln mit nach Haus nehmen. Und Maurus Graf hat uns vorgelesen. Er war für uns Kinder ein wunderbarer Freund. Mir hat er einmal ein rotes Büchlein geschenkt und gesagt: „Marianne, da schreibst deine Geschichten hinein.“ Das Buch habe ich heute noch. Es war wunderschön, dass ich so gefördert wurde. Später habe ich in meinem Buch „Mein Leben zwischen Himmel und Erde“ eine kleine Hommage an Maurus Graf geschrieben. Und die werde ich bei unserem Gastspiel in Ingolstadt lesen.

Marianne Sägebrecht tritt in der Reihe „Solo für Stars“ am Montag, 12. November, um 19.30 Uhr im Großen Haus auf. Karten gibt es unter Telefon (08 41) 30 54 72 00.