Hamburg (dpa
Nicht ohne meinen "Spiegel"

Vor 70 Jahren erschien die erste Ausgabe des Nachrichtenmagazins Unter Augstein wurde es zum Leitmedium

03.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:50 Uhr

Hamburg (DK) Premiere ist am 4. Januar 1947: Chefredakteur Rudolf Augstein (1923-2002) bringt die erste Nummer des politischen Magazins "Der Spiegel" heraus. Auf dem Titelblatt: "Österreichs Gesandter Dr. Kleinwächter", der "mit dem Hut in der Hand" für die Hauptgeschichte, die engagierte Außenpolitik der Alpenrepublik, steht. Aber auch Marlene Dietrichs neuer Film "Martin Roumagnac" ("Es ist, endlich, ein unkomplizierter Film der neuesten französischen Produktion. Er läuft sich nicht im Intellektuellen tot."), die Diskussion um den in der Nazizeit verschärften Abtreibungsparagrafen 218 oder das Scheitern der Londoner Indienkonferenz stehen im Inhaltsverzeichnis der ersten Ausgabe des orange gefassten Hefts, das sich schnell zu einem Leitmedium in der deutschen Presselandschaft entwickeln sollte. Heute wird "Der Spiegel" 70 Jahre alt.

Anlässlich des Jubiläums hat der Hamburger Senat am Freitag zu einem Empfang ins Rathaus eingeladen. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist als Festrednerin vorgesehen. Auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und der amtierende Chefredakteur Klaus Brinkbäumer (49) werden zu den geladenen Gästen sprechen.

Mit zwei Jubiläumsausgaben (30. Dezember und 7. Januar) blickt das Nachrichtenmagazin zum Jahreswechsel auf sieben Jahrzehnte Verlagsgeschichte zurück. Das Nachrichtenportal "Spiegel Online" startet am heutigen Mittwoch eine Sonderseite. Zu erzählen aus der Vergangenheit gibt es schließlich viel.

Das wichtigste Ereignis für das Blatt selbst war die "Spiegel"-Affäre 1962, einer der größten Politskandale in der Geschichte der Bundesrepublik. In der Fehde zwischen Augstein und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) durchsuchten Kriminalbeamte im Oktober 1962 die Redaktionsräume des Magazins in Hamburg und hielten sie wochenlang besetzt. Auslöser war ein kritischer Artikel über die Nato-Übung "Fallex 62". Wegen des Vorwurfs des Landesverrats kamen Augstein, der Verlagsdirektor und mehrere Redakteure bis zu 103 Tage in Untersuchungshaft. Eine Regierungskrise war die Folge, Strauß verzichtete letztlich auf sein Ministeramt.

Ebenfalls ein Meilenstein in der Geschichte des Magazins: 1974 beteiligte Herausgeber Rudolf Augstein seine Mitarbeiter mehrheitlich (50,5 Prozent) am Verlag, was ihnen Gewinnausschüttungen einbringt - ein in der deutschen Medienbranche einmaliges Modell. "Die Loyalität hier ist sehr hoch, weil das Unternehmen mehrheitlich uns gehört. Alle spüren hier Verantwortung und, etwas pathetisch gesagt, auch ein Erbe. Wir dürfen es nicht vermasseln", sagt der amtierende Chefredakteur Klaus Brinkbäumer dazu.

Durch den Strukturwandel in der Medienbranche hat aber auch das Nachrichtenmagazin über Jahre an Auflage eingebüßt; zuletzt verkaufte man 789 062 Exemplare. Das Heft erreiche zusammen mit "Spiegel Online" wöchentlich mehr als 13 Millionen Menschen: auf Papier, im Internet und mobil, so der Verlag. "Wir investieren in zahlreiche neue Produkte und sind als multimediales Haus hervorragend aufgestellt", berichtet "Spiegel"-Geschäftsführer Thomas Hass.

Die Mediengruppe, zu der auch Spiegel TV, das "Manager Magazin" und "Harvard Business Manager" gehören, setzte 2015 rund 285 Millionen Euro um - ein Ergebnis auf Vorjahresniveau. Doch mit diesen Pfunden will man künftig wuchern: Ein Sparprogramm soll von 2018 an den Jahresetat von Redaktion, Dokumentation und Verlag um 15 Millionen Euro dauerhaft entlasten. Dabei fallen geplant rund 150 Arbeitsstellen weg, weshalb erstmals rund 35 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen wurden. 2015 waren in der Mediengruppe noch 1129 Mitarbeiter tätig.