Ingolstadt
Glückliches Gastspiel

24.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:55 Uhr

Höchstleistung: Markus Poschner dirigiert das Georgische Kammerorchester. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Das war definitiv kein Konzert für Fußballfreunde. Obwohl die Veranstalter den Jubiläumsabend des Georgischen Kammerorchesters im Ingolstädter Festsaal auf 19 Uhr vorverlegt hatten, dauerte er bis fast zum Ende der ersten Halbzeit des Spiels Deutschland gegen Ghana. Und Markus Poschner – eigentlich ein leidenschaftlicher Fußballfan – ließ es sich nicht nehmen, am Ende noch eine Zugabe zu geben, die Ouvertüre zu Mozarts "Figaro".

Aber der Abend war zweifellos ein Hochgenuss für Musikfreunde. Denn die Wiederbegegnung mit Markus Poschner und der Pianistin Irma Issakadze entpuppte sich als purer Glücksgriff.

Dabei schien das besonders beim Auftritt der georgischen Pianistin nicht vom ersten Augenblick an völlig klar zu sein. In den ersten Takten wirkte das Georgische Kammerorchester noch ein bisschen wacklig und beim ersten, rhythmisch etwas unsicheren Einsatz des Klaviers, verlangsamte Irma Issakadze das Tempo so radikal, dass man fürchten musste, das Orchester würde nicht zum ursprünglichen Zeitmaß zurückfinden. Überhaupt hatte Poschner ein für die Pianistin halsbrecherisches Tempo im Kopfsatz angeschlagen, und erst als man nach und nach langsamer spielte, konnte sich Issakadze offenbar wirklich wohl fühlen.

Der besondere Stil Issakadzes trat besonders im langsamen Satz hervor: Die Georgierin ist keine Verfechterin ungezwungener, fast naiver Natürlichkeit, wie so viele Mozart-Pianisten (in der Nachfolge Artur Rubinsteins), sondern ganz im Gegenteil. Anstatt die Einleitungstakte melodiös singen zu lassen, blieb sie verhalten, feinnervig. Fast zerbrechlich drangen die Töne aus dem Flügel, Steigerungen nahm sie immer wieder implizit vor: Sie wurde nicht lauter, sondern leiser, manchmal so verhaucht, dass man die Töne im Saal kaum noch wahrnehmen konnte. Dabei entwickelte sich eine schimmernde Schönheit des Melos, eine zutiefst ergreifende Tonsprache, die vor allem eines auszeichnete: Kaum je hat man Mozart so expressiv phrasiert gehört. Ungeheuer gewitzt, mit skarlattihaft perlende Figurenwerk kam der Finalsatz des Konzerts daher. Hier hatten sich Issakadze und das Orchester endlich völlig aufeinander eingespielt.

Zu dieser eher modernistischen Interpretation Issakadzes sollten eigentlich auch die zwei neu komponierten, hoch virtuosen Kadenzen des Komponisten Franz Hummel ("Zarathustra", "Ludwig II.") passen. Aber die Zwischenspiele waren überdimensioniert, klangen allzu sehr nach spätromantischem Virtuosenrausch für den grazilen Mozart-Stil Issakadzes. Am Ende dennoch donnernder Beifall und unzählige Bravo-Rufe für diese eigenwillige und hoch talentierte Pianistin.

Markus Poschner hatte sich für den Abend zwei Werke ausgesucht, die er schon früher mit großem Erfolg in Ingolstadt dirigiert hatte: Mozarts "Jupitersinfonie" und die dritte, dem Georgischen Kammerorchester gewidmete Sinfonie von Sulchan Nassidse.

Bei Letzterem fiel besonders auf, wie intensiv und überzeugend Poschner die einzelnen Musikcharaktere herausarbeitete: den trägen Tanz in der Mitte, die schockierenden Ausbrüche, die manisch stampfende Maschinenmusik im Stil Schostakowitschs, das naturhafte Flirren der Streichertremoli und die vogelstimmenartigen Dialoge einzelner Soloinstrumente.

Zur absoluten Hochform liefen Orchester und Dirigent aber bei der Mozart-Sinfonie auf. Poschner, der uns als oft ausgesprochen sportlich-rasanter Interpret in Erinnerung ist, wählte hier eher maßvolle Tempi – was der Jupitersinfonie gut tat. Der Kopfsatz bekam dadurch fast gravitätische Würde, alles klang ungemein organisch und natürlich. Alle Effekte waren sorgfältig vorbereitet und in die Gesamtstruktur des Satzes integriert – etwa die spannungsgeladene erste Generalpause. So gelang Poschner eine klug disponierte Darstellung.

Sein Mozart bestach durch ein äußerst ausgewogenes, leicht bläserlastiges Klangbild und viele schöne Details in den Nebenstimmen. Das "Menuetto" kam ruhig und doch humorvoll daher, der Finalsatz hatte symphonische dramatische Spannung und gleichzeitig fugenhafte Durchsichtigkeit. Und am Ende konnte Poschner noch das Quäntchen hitzigen Überschwang erzeugen, der zu einer wirklich hervorragenden Interpretation einfach gehört. Besser hätte das Gastspiel des ehemaligen Chefdirigenten nicht verlaufen können.