Fesselnd und frivol

19.06.2011 | Stand 03.12.2020, 2:43 Uhr

Szene aus Kyliáns „Sechs Tänze“ mit Saúl Vega, Julia Cortés.

Nürnberg (DK) Auch im Tanz gibt es ein Repertoire diesseits von „Schwanensee“ oder „Dornröschen“, aber gezeigt und gepflegt wird es überwiegend von den ganz großen Compagnien; die kleineren beschränken sich häufig darauf, die Produktionen ihrer Chefs zu präsentieren. So auch in Nürnberg, wo das Ballett nach sieben Arbeiten von Goyo Montero nun erstmals einen Abend auch mit „Fremdchoreografien“ zeigt.

„Kylián / Duato / Montero“ nennt sich das dreiteilige Programm, das das Publikum im ausverkauften Opernhaus bejubelte.

Mit Nacho Duatos „Duende“ (1991) und Jiri Kyliáns „Sechs Tänzen“ (1986) hat Montero zwei ältere Werke international anerkannter zeitgenössischer Choreografen gewählt – ein ambitionierter Rahmen für seine eigene Arbeit „Treibhaus“. „Duende“ als Auftakt schafft auf der Basis der impressionistischen Klangmalerei Claude Debussys einen traumverhangenen Tanzbilderbogen, ganz Stimmung und Empfindung, der beseelte Naturszenerien voller Nymphen und Faune suggeriert. Im smaragdgrünen Zwielicht der leeren Bühne, vor einer feingliedrig ornamentalen Rückprojektion (Bühne: Walther Nobbe, Kostüme: Susan Unger), vereint die Choreografie in einer Folge von streng geometrischen, häufig symmetrischen Arrangements die Schönheit des Geschmeidig-Fließenden mit ruckartigen Bewegungen, plötzlichem Innehalten und eckig-originellen Posen. Freilich fehlt es den zwölf Tänzerinnen und Tänzern mitunter an der nötigen organischen Synchronizität; nur partienweise gelingen schwebende Leichtigkeit und surreale Ausdrucksintensität.

Kyliáns „Sechs Tänze“ setzen Wolfgang Amadeus Mozarts „Deutsche Tänze“ in eine rasante Szenenfolge um, die voller Witz, Ironie und Satire mit unterschiedlichen Ebenen spielt: Anfangs sieht man nur Füße, dann die Tänzer in weißen Perücken und cremefarbenen Unterkleidern auf der leeren Bühne (Ausstattung: Kylián), scheinbar verlegen, ratlos, schief. Ein Grollen, dann die Musik: Die vier Paare stürzen sich in die Bewegung; mimen sie Streit, Hörigkeit, Macht, Eitelkeit, Liebeswerben, Kampf – eine Mozartoper im Zeitraffer – vom Ensemble technisch souverän interpretiert.

„Treibhaus“, Monteros Uraufführung, ist der seltene Fall einer tänzerischen Umsetzung von Musik Richard Wagners. Zu Passagen aus den Vorspielen von „Lohengrin“ und „Tannhäuser“ (bearbeitet von Uri Caine) bewegt sich das dreiteilige Stück im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gruppe. Zunächst schweben die Tänzer in hängenden Miniplattformen: Embryos in Zuchtwaben gleich scheinen sie zu schlüpfen, hautfarbenes Gewusel auf dem Boden. Der zweite Teil spielt – schwarze Kostüme suggerieren Reife – Mechanismen der Gesellschaft durch: Befehl und Gehorchen. Hier will Montero konzeptionell zu viel: Das Tempo wird hektisch, es fehlt Prägnanz. Erst im dritten Teil gelingen fesselnde Bilder. Ein riesiger roter Bühnenvorhang hinten, vorn an der Rampe senkt sich eine durchsichtige Folie herab. „Vorne“ geht eine Tänzerin auf uns zu, blickt desillusioniert, fragend. „Im Treibhaus“ singt eine traurige Frauenstimme das Lied aus dem Wesendonck-Zyklus. Bedrückende Szenen der Isolation, Depression, des Kampfes, wo jeder verliert. Traurig und groß.

Vorstellungen: 25. Juni, 19.30 Uhr; 29. Juni, 20 Uhr; 1., 5., 8. Juli, 20 Uhr; 17. Juli, 19 Uhr. Kartentelefon: (0 18 05) 23 16 00.