"Ein Leben als Blumentopf"

02.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:32 Uhr

"Jetzt, wo Du mich verlässt, liebe ich Dich mehr denn je": Suzanne von Borsody trat mit dem Trio Azul im Theater Ingolstadt auf. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Diese auffallend buschig-dunklen Augenbrauen! Man kennt sie von den vielen Selbstporträts der mexikanischen Malerin Frida Kahlo (1907–1954). Und etliche davon bekommt das Publikum im Großen Haus des Theaters – auf die bühnenfüllende Leinwand projiziert – großformatig zu sehen, als Suzanne von Borsody dort ihr "Frida Kahlo"- Programm präsentiert.

Die bekannte Schauspielerin war am Sonntagabend in der Reihe "Solo für Stars" mit einer Lesung aus Briefen, Notizen, Gedichten und Tagebucheinträgen Frida Kahlos zu Gast. Mit lateinamerikanischen Liebesliedern wurde sie durch das Trio Azul begleitet, das den Text mit Gitarre, Percussionklängen und Bass bisweilen dramatisch untermalte. Der großartig szenisch präsentierte Monolog zeigt Frida Kahlo als ironische Satirikerin und sarkastische Ehefrau, als dem Alkohol verfallene Künstlerin und verhinderte Mutter, als klarsichtige Kritikerin und verblendete Verliebte. Von Borsody schlüpft in die Rolle der Mexikanerin, indem sie auf indigene Art einen Kranz aus gelben und roten Blumen im Haar und mexikanische Kleidung trägt und ihre schauspielerische Potenz voll ausschöpft, um die Kahlo zu spielen, nur spärlich von notwendigen Kommentaren zur Biografie der Malerin unterbrochen.

Sehnsucht nach Liebe

Schon mit 15 verfasste die am 6. Juli 1907 in Coyoacán, einem Vorort von Mexico-City, geborene Magdalena del Carmen Frida Kahlo y Calderón ein Gedicht, das von Sehnsucht nach Liebe und der Angst verletzt zu werden spricht. Ihr Leben ist geprägt durch Schmerz: Von der Kinderlähmung blieb Kahlo ein verkümmerter Fuß zurück, erst recht litt sie zeitlebens an den Folgen eines Busunfalls vom September 1925, bei der sich eine Stange quer durch ihr Becken und ein Bein bohrte. Sie hatte fortan in Ganzkörpergips- und Stahlkorsetts zu leben und Dutzende von Operationen zu ertragen, später auch Amputationen. Ihr Werk wird zum Ausdruck ihrer seelischen und körperlichen Qualen. Kein Wunder, dass man ihre Kunst mit "einer bunten Schleife um eine Bombe" (André Breton) verglich. Noch ein Jahr nach dem Unfall klagt sie: "Ich führe ein Leben als Blumentopf und komme nicht über den Balkon hinaus!"

Suzanne von Borsody lässt das Publikum teilhaben an Frida Kahlos Empfinden, an ihrer frühen Liebe zu Alejandro Gómez Arias, dem sie flehende Briefe nach Paris schickt: "Schreib mir, dass Du mich liebst und ohne mich nicht leben kannst – auch wenn es nicht stimmt!" Heiraten wird sie 1929 aber Diego Riveras, den führenden Maler Mexikos, der 20 Jahre älter ist als sie und zweimal geschieden – "eine Katastrophe für Fridas katholische Mutter!" Als sie mit dem dickleibigen Diego auf Demos der KP auftritt, bezeichnet man das Paar als "Taube und Elefant". Da Diego Aufträge in den USA erhält, zieht sie mit ihm nach San Francisco, Detroit, später New York.

Verletztheit und Zorn

Suzanne von Borsody (52) schafft Dramatik, indem sie bei einschneidenden Erlebnissen erst Frida Kahlo selbst sprechen lässt, fast unter Tränen ihre Verletztheit artikuliert und ihren Zorn herausschreit, um erst dann zu erklären, was geschehen war: So etwa in einem empörten Brief von 1934, worin Frida über Diegos Lügen lamentiert, hadert und klagt und zornige Verbitterung zeigt. Diego hatte eine Affäre mit Fridas jüngerer Schwester Cristina begonnen. Das Paar lässt sich 1938 scheiden, heiratet 1940 aber erneut – laut Frida, "weil er mich liebt", laut Diego, "weil sie mich braucht".

In ihren letzten Lebensjahren ist sie zum Symbol des stoisch ertragenen Schmerzes und Stolzes von Mexiko geworden. Als sie dort 1953 endlich erstmals eine Einzelausstellung erhält, lässt sie sich auf einer Bahre zur Eröffnung transportieren. Wenige Monate später stirbt sie. Suzanne von Borsody liest dazu den letzten Tagebucheintrag: "Fröhlich verlasse ich das Haus und ich hoffe, nie wieder zurückzukommen."

Das Publikum feiert den Abend in Ingolstadt mit anhaltenden Ovationen.