Ingolstadt
Die Macht der Sternchen

Internet-Bewertungsportale erleichtern so manche Kaufentscheidung – doch blind vertrauen sollte man ihnen nicht

27.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:06 Uhr
Sauberkeit ist laut einem Sprecher von Holidaycheck für die Nutzer das wichtigste Kriterium, wenn es um die Bewertung von Hotels geht. −Foto: thinkstock/Montage: DK

Ingolstadt (DK) Wer sich früher eine neue Kamera zulegen wollte, wälzte erst einmal Fachzeitschriften und blätterte sich durch die Testergebnisse. In Zeiten des Internets ist alles viel einfacher. Man surft auf ein Verkaufsportal und studiert die Bewertungen anderer Nutzer. Bei Reisen ist es ähnlich: Musste man sich einst auf die Versprechungen des Hotelkatalogs oder des Reisebüros verlassen, reichen nun ein paar Klicks auf Bewertungsplattformen wie Holidaycheck oder Tripadvisor, um schmuddelige Strände, schmutzige Badezimmer oder gesundheitsgefährdende Buffets zu vermeiden. Nur: Hat das Web wirklich immer recht

Laut einer Studie der Fachhochschule Worms von 2012 gab etwa ein Drittel von 330 befragten Hoteliers an, ihrer Meinung nach schon einmal unangemessen schlecht bewertet worden zu sein – vermutlich von der Konkurrenz. Knapp 14 Prozent sind sich sicher, bei der Konkurrenz gefälschte Positiv-Kommentare über das eigene Haus entdeckt zu haben. Fest steht: Hundertprozentige Fälschungssicherheit gibt es nicht. Beim potenziellen Kunden ist also Skepsis angebracht. Doch die meisten Portale versuchen mittlerweile Fake-Kommentaren verstärkt entgegenzutreten – schließlich ist die Glaubhaftigkeit das wichtigste Kapital.

Eines dieser Bewertungsportale ist Qype, das im Oktober 2012 vom Konkurrenten Yelp gekauft wurde – noch im Laufe dieses Jahres sollen die beiden zu einer Plattform verschmelzen. Bei Qype lassen sich Hotels, Gaststätten und Einkaufszentren bewerten. „Wir hatten bereits die komplette Bandbreite an verschiedensten Fake-Formen auf unserer Plattform“, teilt Qype-Sprecherin Hanna Schiller auf Anfrage unserer Zeitung schriftlich mit. In diesen Fällen habe man allerdings entsprechend reagiert und die betreffenden Beiträge entfernt. Um sich zukünftig vor falschen oder unfairen Bewertungen zu schützen, setzt das Unternehmen eine Filter-Software ein. Diese sei schwer zu überlisten. Wie sie genau funktioniert, wird nicht verraten.

Zudem setzt man zunehmend auf die Qualität einzelner Beitragsschreiber. Wer viele Rezensionen schreibt, steigt im Rang auf und wird „VIQ“ (Very Important Qyper) oder „Elite-Yelper“. Und man sucht den persönlichen Kontakt: In deutschen Großstädten werden besonders aktive Mitglieder sogar zu Kaffee-Test-Workshops oder Museumsbesuchen eingeladen.

Auch das laut eigenen Angaben größte deutschsprachige Hotelbewertungsportal Holidaycheck setzt elektronische Filter ein. Worauf diese im Detail anspringen, will man auch hier nicht sagen, weil das einer Anleitung zum Fälschen gleichkäme. 2600 Bewertungen werden im Durchschnitt täglich auf der Website gepostet – im Sommer sogar bis zu 4000. Kommt es zu Auffälligkeiten, nehmen Mitarbeiter die Kommentare genauer unter die Lupe. Eventuell wird Kontakt zum Betreiber aufgenommen. „Reagiert der Hotelier nicht auf unsere Nachfragen, markieren wir das Hotel mit einem grauen Stempel ,Vorsicht: Manipulationsverdacht’“, sagt Ulrich Cramer, Sprecher von Holidaycheck. Ist man vom Betrug überzeugt, wird es mit „Achtung: Manipulation“ gekennzeichnet. Eigene Hoteltester hat das Portal nicht im Einsatz.

Doch schwarze Schafe gibt es nicht nur auf Seiten der Anbieter von Dienstleistungen oder Produkten. Auch die Konsumenten haben inzwischen erkannt, welches Machtpotenzial in Rezensionen schlummert. Negativ-Bewertungen können das Image schnell ramponieren. So gab in der Studie der FH Worms fast die Hälfte der befragten Hotels an, schon einmal von einem Gast mit einer negativen Bewertung bedroht worden zu sein, falls man kein Upgrade oder Ähnliches erhalte.

Auch Stefan Wild ist diese Art von Gästen bekannt. Er ist Präsidiumsmitglied des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes und Vorsitzender des Fachbereiches Hotellerie. „Ich kenne Fälle in Deutschland, in denen Hoteliers vom Gast erpresst wurden. Im Sinne von: Wenn Sie mir nicht dieses oder jenes geben, bekommen Sie eine negative Bewertung.“

Natürlich muss nicht gleich jede negative Bewertung ein Erpressungsversuch sein. Holidaycheck-Sprecher Cramer rät Gästen einfach fair zu bleiben und sich bei Kleinigkeiten – etwa, wenn es im Zimmer zu kalt sei – zunächst an der Rezeption zu beschweren, statt dem Hotel gleich im Internet eine miese Bewertung zu geben.

Dass der deutsche Urlauber durchaus überpingelig sein kann, zeigt eine repräsentative Umfrage des Online-Reiseportals ab-in-den-urlaub.de unter 1000 Deutschen. Dabei gaben 3,3 Prozent an, sie nähmen sich schon zu Hause vor, im Urlaub gezielt nach Mängeln zu suchen und sie zu reklamieren.

Hotel-Experte Stefan Wild ist der Meinung, die Gäste erwarteten heutzutage oft zu viel von Hotels. Das habe auch mit der Schnäppchen-Mentalität zu tun. „Die Gäste sind in Deutschland einfach nicht bereit für ein Zimmer adäquat zu zahlen.“ Ein Drei-Sterne-Zimmer koste in Ingolstadt etwa 90 bis 140 Euro pro Nacht. In Frankreich zahlten die Gäste 160 bis 170 Euro für die Übernachtung. „Und das, obwohl die Qualität schlechter ist.“ In den Bewertungsportalen sieht er trotzdem nichts Bedrohliches. Ein Hotelier müsse sich damit heutzutage einfach auseinandersetzen, die Portale durchforsten und Bewertungen eventuell kommentieren.

Wer gerne Bewertungsportale für seine Kaufentscheidungen nutzt, sollte nicht nur die Endnote betrachten, sondern die Kommentare sorgfältig durchlesen – am Besten auf verschiedenen Portalen, rät die Stiftung Warentest. Klingt ein Beitrag zu sehr nach PR-Sprache sind Zweifel an der Echtheit angebracht. Auch ein Blick auf das Veröffentlichungsdatum kann helfen: Eine mehrere Jahre zurückliegende Kritik muss nicht den aktuellen Stand widerspiegeln.