Parlamentarier müssen Farbe bekennen

27.04.2011 | Stand 03.12.2020, 2:53 Uhr

Callshop Meeting: Dahinter verbirgt sich eine neue Form des Protestes, bei dem sich kritische Bürger in einem Internetcafé treffen, um EU-Abgeordnete anzurufen.

Regensburg (gi) Es ist eine neue Wortschöpfung: Callshop Meeting. Dahinter verbirgt sich eine neue Form des Protestes, bei dem sich kritische Bürger in einem Internetcafé treffen, um EU-Abgeordnete anzurufen. Am 5. Mai startet in Regensburg der bundes- und EU-weit erste Testlauf.

Für ausreichend Zündstoff ist gesorgt: Die Abgeordneten sollen zur Vorratsdatenspeicherung befragt werden. "Kriminalisiert sie den Bürger? Hat sie Vorrang gegenüber der Privatsphäre? Wie beeinflusst sie Ihre Arbeit als Abgeordneter" Annette Schnettelker hat die Fragen erarbeitet, mit denen die Abgeordneten zu Chancen und Risiken der Vorratsdatenspeicherung interviewt werden sollen. Sie ist Studentin und Mitglied im bundesweit organisierten Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ebenso wie ihre Kollegen Stefan Christoph, Thomas Hinterwimmer und Armin Schmid, die gestern die Aktion in Regensburg vorstellten.
 

Die Aktion sieht vor, dass sich die Beteiligten an einem öffentlichen Ort wie dem zentralen Internetcafe Runaway in Regensburg treffen und dort unter hoher Medienbeteiligung die EU-Abgeordneten anrufen. Dabei führen sie ein Gespräch auf der Basis eines Fragenkatalogs. "Wir haben den Leitfaden entwickelt, falls einer so baff von der Antwort eines Abgeordneten sein sollte, dass er nicht mehr weiter weiß", erklärt Schmid.

Noch nie hat ein EU-Gesetz solch ungekannte Massenbeschwerden ausgelöst wie das zur Vorratsdatenspeicherung von Telefon, Mobilfunk- und Internetverbindungen. Es wurde vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ausgesetzt. In Deutschland findet daher vorerst keine Vorratsdatenspeicherung statt, die bisher gesammelten Datenbestände mussten gelöscht werden.

Vor zehn Tagen mahnte die EU-Kommission Deutschland nun an, "schnellstmöglich" wieder ein Gesetz zur Speicherung von Telekommunikationsdaten zu beschließen. Ansonsten drohe ein Verfahren wegen der Verletzung des EU-Vertrages. "Wir wollen verhindern, dass es zu einer erneuten anlasslosen Protokollierung der Nutzerspuren kommt", sagt Armin Schmid vom Arbeitskreis. Laut einer Untersuchung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages gebe es "keinen Zusammenhang zwischen der Aufklärungsquote von Kriminalität" und dem Einsatz der Vorratsdatenspeicherung als Ermittlungsinstrument. Weiter argumentiert Schmid, "dass nur dumme organisierte Kriminelle registrierte Telefone und Handys benutzen".

Insgesamt 45 Abgeordnete wurden per E-Mail angeschrieben, darunter sämtliche EU-Abgeordnete aus Bayern, um sie für die Teilnahme am Callshop Meeting zu gewinnen. Von fünf Abgeordneten, allesamt Gegner der Vorratsdatenspeicherung, erhielten die Studenten bislang eine positive Antwort.

Dennoch soll die Aktion als Medienrummel inszeniert werden. Die Gespräche mit den Abgeordneten sollen mitgeschnitten werden, Zitate daraus der Öffentlichkeit präsentiert werden. "Das kann für alle Seiten ein Gewinn sein", meint Armin Schmid. Zwischen den Bürgern und den Abgeordneten in Brüssel herrsche kaum Kommunikation. "Wir erreichen auf diese Weise ein hohes Maß an Partizipation auf EU-Ebene."

Die ganze Aktion soll ein Testlauf für die neue Aktionsform sein. Die Vorbereitungsphase und der Aktionstag selbst werden dokumentiert und später als Anleitung für Folgeaktionen aufbereitet. Das Ganze soll ins Englische übersetzt werden, damit europaweit auch andere Gruppen die Aktion als Vorlage verwenden können. Schmid gibt sich zuversichtlich: "Ich bin optimistisch, dass die EU-Richtlinie aufgehoben wird."