Streit um Flipper

22.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:32 Uhr

Delfinmutter mit Jungem: Bei der Zucht musste der Tiergarten Nürnberg in den vergangenen Jahren viele Rückschläge hinnehmen. - Foto: oh

Nürnberg (DK) Sie sind Sympathieträger und die besten Werbebotschafter für den Lebensraum Meer – weit vor Eisbären und Pinguinen. Über die Haltung und Zucht von Delfinen wird seit Jahren erbittert gestritten. Immer wieder stellt sich die Frage, ob Delfinarien zeitgemäß sind.

Sie zeigen allezeit ein Lächeln. Und sie besitzen ein perfektes bilaterales System: Die beiden Hälften des Gesichtes sind spiegelgleich, eine Eigenschaft, die der Mensch als schön empfindet. Drei Tiergärten kümmern sich in Deutschland um die Aufzucht der Flipper – Nürnberg, Duisburg und Münster. Noch, denn der Allwetterzoo in Münster will die Delfinhaltung in zwei Jahren aufgeben. In Nürnberg dagegen setzt man uneingeschränkt auf das Zugpferd Delfinarium. Baut sogar aus, denn in die neue Delfinlagune wird kräftig investiert. Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf 24 Millionen Euro.

Der Tiergarten hat pro Jahr etwa eine Million Besucher, "davon gehen rund 40 Prozent ins Delfinarium", sagt Helmut Mägdefrau, stellvertretender Direktor, im Gespräch mit dem DONAUKURIER. Für die Verantwortlichen in Nürnberg stehen der Artenschutz und die Vermittlung von Wissen im Vordergrund. "Bei den Vorführungen, die meist dreimal pro Tag stattfinden, erzählen die Trainer viel über die Biologie der Tiere – etwa über Atmung, Anatomie, Nahrungsaufnahme, aber auch über den Artenschutz." Sie spielen mit den Tieren, jede Vorstellung sieht anders aus, so Mägdefrau. Das entscheiden die Trainer ganz spontan, je nachdem wie die Delfine mitmachen. "Wir wollen ja keine Zirkusvorstellung geben. Für uns stellt sich immer die Frage, wie kriegen wir die Informationen möglichst gut in die Köpfe der Besucher."

"Delfinarien sind absolut nicht zeitgemäß." Für Jürgen Ortmüller, Geschäftsführer des Delfin- und Walschutzforums, ist es undenkbar, dass in Zoos eine artgerechte Haltung möglich ist. "Ein Becken in Swimmingpool-Größe kann dem Bewegungsdrang von Großen Tümmlern nicht annähernd gerecht werden." In Freiheit schwimmen sie viele Kilometer pro Tag und tauchen bis zu 300 Meter tief. In den Betonbecken in Tiergärten dagegen bewegen sie sich permanent im Kreis. "Unser Ziel ist es, die Delfinhaltung zu verhindern", sagt er.

Vom Verbot einer Delfinhaltung ist der Schritt zum Verbot von Elefanten oder Menschenaffen in den Tiergärten nicht weit – wie es andere Tierschützer fordern. Ist Ortmüller prinzipiell gegen das Prinzip Zoo? "Nein, wenn der Fokus auf der Pflege von kranken und verletzen Tieren liegt, ist ein Zoo aufrecht zu erhalten. Doch eine artgerechte Haltung für Delfine ist unmöglich, die Tiere leiden in Gefangenschaft."

Mit solchen Vorwürfen wird auch der Tiergarten Nürnberg immer wieder konfrontiert. "Um uns dagegen zu wehren, haben wir vor einiger Zeit von der Universität Bayreuth eine dreijährige Stressstudie durchführen lassen", erzählt Mägdefrau. Das Ergebnis: Kein Anzeichen von Stress. "Wäre ein anderes Ergebnis rausgekommen, hätten wir dazu stehen und die Delfinhaltung auslaufen lassen müssen. So aber ist es falsch, zu behaupten, die Tiere würden in den Delfinarien leiden."

In den Schlagzeilen stand der Tiergarten kürzlich wieder, nachdem Tod eines Definbabys. Die drei Weibchen des Tiergartens sind wegen des Umbaus in ein niederländisches Delfinarium gebracht worden. Dort hat auch Nynke Nachwuchs bekommen – Kai ist jetzt zwei Monate alt. Dass die Sterblichkeitsrate bei den Delfinbabys im Zoo zu hoch ist, steht für den stellvertretenden Tiergartenleiter außer Frage. "Wir versuchen alles, diese zu verringern." Zahlen über die Sterblichkeit von Delfinbabys in Freiheit, die zum Vergleich herangezogen werden können, gibt es nicht.

Ortmüller ist trotzdem davon überzeugt, dass die Delfinarien ein Auslaufmodell sind. Wie in Münster. Im Allwetterzoo wird das Delfinarium Ende 2012 geschlossen. "Dahinter stehen finanzielle Gründe", sagt Ilona Zühlke, Sprecherin des Zoos. "Das Gebäude ist aus den 70er Jahren, und die notwendige Modernisierung käme zu teuer." Im vergangenen Jahr besuchten knapp 992 000 Gäste den Allwetterzoo, "95 Prozent davon waren auch im Delfinarium, da es bei uns eine gemeinsame Eintrittskarte gibt." Einen Besucherrückgang, wenn das Zugpferd Delfinarium wegfällt, erwartet Zühlke nicht. "Wir bauen den Bereich in eine Anlage für Seelöwen und Robben um. Unsere Seelöwen-Vorführungen werden schon sehr gut angenommen. Ich denke, wir können das ausgleichen."

Einen Beitrag zum Artenschutz leisten die Tiergärten in Nürnberg, Münster und Duisburg mit dem Projekt Yaqu Pacha in Südamerika. "Ziel der Gesellschaft ist es, die im Wasser lebenden Säugetiere Südamerikas zu schützen und ihren Lebensraum zu erhalten, sagt Mägdefrau. "Mit Hilfe unseres Delfinariums klären wir auf, wecken Begeisterung und machen auf die Meeresverschmutzung aufmerksam."

Er ist überzeugt davon, dass die Besucher durch den Kontakt mit den Säugern zum Nachdenken kommen und ihr Verhalten überdenken. "Wir konnten in den vergangenen Jahren schon 500 000 Euro für den Artenschutz nach Südamerika überwiesen." Die Delfinariums-Gegner allerdings wird auch dies nicht überzeugen können.Kommentar Seite 2