Regensburg
"Eine aufwendige Detektivarbeit"

30.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:10 Uhr

Schwierige Suche: Seltenen Krankheiten auf die Spur zu kommen ist nicht einfach - an der Uniklinik Regensburg wurde gestern eine Spezialabteilung dafür eröffnet - Foto: thinkstock

Regensburg (DK) In Deutschland gibt es schätzungsweise drei bis vier Millionen Menschen, die unter einer sogenannten seltenen Erkrankung leiden. Als selten gilt eine Krankheit, wenn höchstens einer unter 2000 Menschen davon betroffen ist. Für diese Patienten ist es oft eine Odyssee von Arzt zu Arzt bis eine richtige Diagnose erfolgt – manchmal sind aber auch die Ärzte ratlos.

Bei solchen Fällen will nun das „Zentrum für seltene Krankheiten“ helfen. Gestern wurde die Einrichtung an der Uniklinik Regensburg eröffnet. Der Regensburger Dermatologe Professor Mark Berneburg (Foto) ist Mitinitiator – wir haben mit ihm über das neue Projekt gesprochen.

 

Herr Berneburg, welche Folgen kann es für einen Patienten haben, wenn ihm ein Arzt mitteilt, dass er keine exakte Diagnose stellen kann?

Mark Berneburg: In erster Linie führt das zu einer großen Unsicherheit bei dem Patienten. Denn: Er weiß nicht, was noch auf ihn zukommen kann, welchen Verlauf die Krankheit noch nehmen wird. Und natürlich ist eine Krankheit oft nur schwer zu behandeln, wenn man nicht genau weiß, um was es sich eigentlich handelt.

 

Wie kommt es zu Fehldiagnosen oder dazu, dass ein Arzt keine Diagnose stellen kann?

Berneburg: Seltene Krankheiten sind eben nicht das, was man im täglichen Leben sieht. Das heißt: Oft werden die Symptome behandelt, aber man kann nicht sicher sagen, um welche seltene Krankheit es sich handelt. Da muss man Spezialuntersuchungen durchführen – und vor allem muss man wissen, welcher Spezialist dafür zuständig ist. Und genau das ist nicht nur für Patienten, sondern auch für Ärzte oft schwer herauszufinden. Eines der Ziele unseres Zentrums ist deshalb, sichtbar zu machen, welche Erkrankung wo in Bayern betreut wird.

 

Sehen Sie sich als eine Art medizinischer Kriminologe?

Berneburg: Nicht nur für mich, auch für andere Ärzte, die Patienten mit seltenen Krankheiten betreuen, ist es eine aufwendige Detektivarbeit, herauszufinden, um welche Krankheit es sich nun handelt. Aber meist kommen wir der Sache auf die Spur. Schwieriger ist oft die Therapie, da von den Pharmafirmen in diesem Bereich nur wenig Forschung finanziert wird.

 

Muss man auch mal Kollegen um Hilfe bitten, wenn man nicht weiterkommt?

Berneburg: Ein ganz wichtiger Punkt: Man muss eigentlich fast immer Kollegen in die Untersuchung – und auch in die Behandlung – mit einbeziehen. Denn seltene Erkrankungen betreffen häufig viele verschiedene Organsysteme. Deswegen ist die Zusammenarbeit unterschiedlicher Spezialisten so wichtig.

 

Muss man sich als Arzt mehr Zeit für diese speziellen Patienten nehmen?

Berneburg: Gerade Menschen mit seltenen Erkrankungen brauchen viel Zeit in der Diagnosefindung – und in der Betreuung. Da sind mit Sicherheit auch Gespräche mit den Krankenkassen nötig, damit Menschen mit seltenen Erkrankungen eine besondere Abrechnung bekommen können.

 

Aus wie vielen Ärzten besteht denn Ihr Spezialisten-Team?

Berneburg: Wir haben etwa 30 spezialisierte Arbeitsgruppen in verschiedenen Instituten und Kliniken der Fakultät für Medizin. In einer Arbeitsgruppe sind immer mehrere Ärzte und auch Pflegepersonal.

 

Mit wie vielen Anfragen rechnen Sie nun täglich?

Berneburg: Das ist schwer abzuschätzen. Meist ist es so, dass sich sehr viele Menschen melden, sobald publik wird, dass man sich an einem Ort um Menschen mit seltenen Krankheiten kümmert.

 

Kann ich mich als Patient direkt an Ihr Zentrum wenden oder muss ich mich überweisen lassen?

Berneburg: Beides ist möglich, wir haben eine sogenannte Lotsin bei uns im Haus, bei der alle Anfragen zusammenlaufen. Sie kennt sich mit den verschiedenen Zentren aus. Per Telefon oder E-Mail kann man mit ihr Kontakt aufnehmen – die Lotsin kontaktiert dann wiederum die Spezialisten.