Pliening
Razzia im "Bundesstaat Bayern"

Polizei geht gegen "Reichsbürger"-Bewegung vor und nimmt Funktionäre fest

07.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:41 Uhr

Foto: DK

Pliening (DK) Mit fast 270 Kräften rückte die Polizei gestern bei 16 Verdächtigen an, die sie der "Reichsbürger"-Bewegung zurechnet. Die meisten Beschuldigten stammen aus Bayern, drei kommen aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Der Vorwurf lautet auf bandenmäßige Urkundenfälschung.

Die Kriminalpolizei Erding hatte die vom Amtsgericht München beschlossene Durchsuchung gestern ab 6 Uhr früh geleitet. Sieben der Verdächtigen würden sich als Vertreter des selbst ernannten "Bundesstaates Bayern" ausgeben, hieß es. Die übrigen sollen Sympathisanten sein. "Wir vermuten das Zentrum der Bewegung in Pliening im Landkreis Ebersberg", erklärte Hans-Peter Kammerer vom übergeordneten Polizeipräsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt nach der Aktion.

Mit der Festnahme einer 48-Jährigen aus Pliening östlich von München und ihres zwei Jahre älteren Lebensgefährten glauben die Ermittler, "zwei Beschuldigte mit Funktionärsrolle" dingfest gemacht zu haben. Zur Überraschung der Einsatzkräfte waren sie in deren Haus auf einen 50-jährigen Untermieter im Keller gestoßen, der unter dieser Adresse nicht gemeldet war. "Wir gehen aber davon aus, dass er ebenfalls der Bewegung angehört", sagte Kammerer. Weitere Durchsuchungen fanden gestern im südlichen Oberbayern, in der Oberpfalz und Unterfranken, in Kempten und Ulm sowie im Raum Ludwigshafen und Kaiserslautern statt.

Sogenannte Reichsbürger erkennen Deutschland nicht als Staat an, ihrer Meinung nach besteht das Deutsche Reich fort. Erst vor zwei Wochen war eine mutmaßliche rechtsextreme Terrorgruppe zerschlagen worden, deren Chef der "Reichsbürger"-Bewegung nahestehen soll. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs eröffnete dem 66-Jährigen, der sich selbst als keltischer Druide bezeichnet, gestern einen Haftbefehl. Die Gruppe um den Mann soll laut Vorwurf Anschläge auf Juden, Flüchtlinge und Polizisten vorgehabt haben.

Die mutmaßlichen Reichsbürger, um die es bei der gestrigen Razzia ging, werden der banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung verdächtigt. Zudem geht es um Amtsanmaßung. Einige Beschuldigte sollen den Aufbau einer eigenen Finanzverwaltung und eines Gewerbeamts betrieben und gegen Gebühr eigene Ausweise und Führerscheine ausgegeben haben, ergaben Recherchen der Ermittlungsgruppe "Wappen" bei der Kripo Erding.

Nach dem Tod eines Polizisten am 19. Oktober in Georgensgmünd (Kreis Roth) gingen die Ermittler gestern mit äußerster Vorsicht vor. Ihr Kollege war im Einsatz gegen einen selbst ernannten "Reichsbürger" erschossen worden. Rund 100 der knapp 270 Kräfte gehörten gestern diversen Spezialeinsatzkommandos an. "Waffen wurden aber keine gefunden", sagte Polizeisprecher Kammerer. Seine Kollegen hätten jedoch etliche Computer, Datensticks und Laptops sichergestellt.

Der selbst ernannte "Bundesstaat Bayern" präsentiert seine Ansichten ausführlich auf seiner "Weltnetzseite", wo auch gestern noch Dokumentenansichten und Schreiben aller Art anzuklicken waren. Darunter befindet sich ein Brief an eine Zeitung, in dem ein Vertreter der "administrativen Regierung" dementiert, die von ihm vertretene Bewegung gehöre zu den "Reichbürgern". Man lehne die Bundesrepublik nicht ab, sondern erwarte lediglich, dass sie geltende Gesetze einhalte.