München
Zehn Jahre für Armbrustschützen

41-Jähriger wollte seine Noch-Ehefrau und deren Partner ermorden

15.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:04 Uhr

Auf brutale Weise wollte er seine Noch-Ehefrau und deren Partner ermorden: Mit einer Armbrust hat Victor S. auf die beiden geschossen. - Foto: Stäbler

München (DK) Ein Bergbauer aus dem Schächental im Schweizer Kanton Uri weigert sich, den Hut des Reichsvogts zu grüßen. Dieser ersinnt daraufhin eine perfide Strafe: Um freizukommen, muss der Bauer mit der Armbrust einen Apfel treffen, der auf dem Kopf seines Sohnes liegt. Der Apfelschuss entstammt der Sage von Wilhelm Tell, dem Nationalhelden der Schweiz. Schon vor 800 Jahren sei allen Beteiligten klar gewesen, "dass das eine extrem gefährliche Aufgabe war und dass ein Fehlschuss in Kopf oder Hals des Jungen tödliche Folgen gehabt hätte", sagt Michael Höhne und hält inne.

Der Vorsitzende Richter am Landgericht München blickt hinüber zu jenem Mann auf der Anklagebank, dessen Urteil er gerade verkündet und wegen dessen Tat er von Wilhelm Tell erzählt. Bis heute habe sich an der "fatalen Durchschlagskraft" der Armbrust nichts geändert, sagt Höhne. Zwar gebe es inzwischen leichter zu handhabende Waffen. "Aber die Armbrust ist nicht ganz aus der Mode gekommen."

So auch bei Viktor S., 41, der nach Überzeugung des Gerichts mit eben dieser Waffe seine Noch-Ehefrau und deren neuen Partner töten wollte. Dass Letzterer mit einem Streifschuss davonkam, sei "nur dem Zufall und einer Reflexzuckbewegung" zu verdanken gewesen, so der Richter. Er verurteilt Viktor S. wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu zehn Jahren Haft. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Während der Richter das Strafmaß verkündet, lacht der Angeklagte leise auf und nickt. Der Mann in der gefütterten Jacke, darunter ein blaues Häftlingshemd, hat den ganzen Prozess über einen auf harter Macker gemacht - so auch heute. Als ginge ihn all das nichts an, blickt er immer wieder gelangweilt zur Uhr, quittiert die Richterworte mit spöttischem Grinsen und schneidet einmal sogar Grimassen in Richtung Besucherbänke.

Viktor S. hat in diesem Prozess abenteuerliche Geschichten aufgetischt, angefangen mit der Armbrust. Die habe er als Geburtstagsgeschenk für seinen Sohn gekauft, hat er behauptet. "Eigentlich wollte ich eine Gitarre. Aber die waren ausverkauft." Mit der Waffe und vier armlangen Metallpfeilen im Gepäck reiste er im September 2016 aus seiner niedersächsischen Heimat nach München - um seine dort lebende Frau und deren Partner umzubringen, so der Richter.

Viktor und Olga S. waren ab 1997 ein Paar, doch es war keine glückliche Liebe. Immer wieder schlug er sie, "weil sie Stress gemacht hat", wie er im Prozess sagte. Zudem sei sie gewürgt und missbraucht worden, "auch vor den Kindern", berichtete Olga S. vor Gericht. Im April 2015 trennte sie sich vom Vater ihrer zwei Kinder; wenig später zog sie bei Qais D. ein.

Derweil konnte Viktor S. die Trennung nicht überwinden. Mehrmals suchte er die Wohnung von Qais D. auf und drohte ihm und seiner Frau mit dem Tod; eines Nachts stand er gar auf deren Balkon, bewaffnet mit einer Eisenstange. Am Tattag versteckte sich der 41-Jährige im Gebüsch vor dem Wohnhaus von Qais D. Als dieser heimkam, feuerte er wortlos und aus kaum vier Metern einen Pfeil aus der Armbrust ab. Mit 240 Kilometern pro Stunde streifte das Geschoss den Hals des Mannes. "Nur ein Zentimeter Zielabweichung", so der Richter, "und es wäre absolut tödlich gewesen". Ehe Viktor S. einen weiteren Pfeil einspannen konnte, überwältigte ihn Qais D.; kurz darauf traf die Polizei ein. Noch während er gefesselt am Boden lag, drohte er damit, seine Frau und deren Partner umzubringen.

Das Gericht wertete die Attacke als versuchten Mord, da es die Merkmale der Heimtücke und der niederen Beweggründe als gegeben ansah. Zum immer noch grinsenden Viktor S. sagt Richter Michael Höhne abschließend: "Sie haben uns im Prozess immer wieder gesagt, wie sehr Sie Ihre Kinder lieben." Doch wären diese ihm wirklich wichtig gewesen, dann hätte er nicht den Plan geschmiedet, ihnen die Mutter zu rauben, sagt Richter Höhne. "Jetzt haben Sie selbst dafür gesorgt, dass Ihre Kinder lange Zeit ohne ihren Vater leben müssen." Bei diesen Worten lächelt Viktor S. nicht mehr.