München
Wirrwarr ums Gymnasium

Will die CSU den Zugang zum Zusatzjahr beschränken? Lehrer, Eltern und Schüler sind verunsichert

28.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:55 Uhr
Zehn Jahre nach der Einführung des G8 fordern die bayerischen Gymnasiallehrer die Rückkehr zum neunjährigen System. «Wir erachten eine längere Reifezeit für Schülerinnen und Schüler als wichtig», erklärte Max Schmidt, der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands. Foto: Angelika Warmuth/dpa −Foto: Angelika Warmuth (dpa)

München (DK) Wird der Zugang zum neunjährigen Gymnasium gedeckelt oder nicht? Seit Tagen gibt es Widerstand gegen Pläne der CSU, nur einen Teil der Schüler an der neuen „Mittelstufe Plus“ aufzunehmen. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) behauptet indes: Diese Pläne gibt es gar nicht.

Am Freitag formierte sich in Würzburg ein Protestbündnis. Philogenverband, Direktorenvereinigung sowie Eltern- und Schülerverbände unterzeichneten ein gemeinsames Positionspapier. Darin wehren sie sich vor allem gegen eine starre Quote für den Zugang zur verlängerten Mittelstufe. Die Entscheidung müsse „im Ermessen der Eltern und Schüler liegen“, heißt es in dem Papier, und zwar „basierend auf der Empfehlung der Lehrer des Schülers“.

Der Philologenverband – die Vertretung der Gymnasiallehrer – hält gerade in Würzburg seine Jahresversammlung ab. „Die Entscheidung, ein Jahr zusätzlich in die Mittelstufe zu legen, sollte beispielsweise unbedingt im Ermessen der Eltern und Schüler liegen“, fordert der Vorsitzende des Verbandes, Max Schmidt. Die jüngsten Beschlüsse der Staatsregierung haben die „Schulfamilie“ in Alarmbereitschaft versetzt.

Die Einführung der „Mittelstufe Plus“ hatte die CSU-Fraktion auf ihrer Klausur im Kloster Banz im Oktober beschlossen. Das Konzept sieht vor, dass Gymnasiasten sich am Ende der siebten Klasse entscheiden können, ob sie die Mittelstufe – also die achte, neunte und zehnte Jahrgangsstufe – in drei oder in vier Jahren durchlaufen möchten. Das soll Schülern im grundsätzlich auf acht Jahre angelegten Gymnasium mehr Lernzeit ermöglichen. Das Angebot soll nicht nur für lernschwächere Schüler gelten, sondern zum Beispiel auch für solche, die ein Jahr ins Ausland gehen, nebenher Leistungssport betreiben oder Musik machen. Mit dem Konzept will die Partei den jahrelangen Streit um die Dauer der Schulzeit am Gymnasium beenden.

Allerdings ist unklar, was Staatsregierung und CSU denn nun tatsächlich wollen. „Es gibt keine Quote, wie viele Schülerinnen und Schüler die ,Mittelstufe Plus’ besuchen können werden“, versicherte Spaenle gestern vor den Philologen in Würzburg. „Die Entwicklung der Nachfrage werden wir in der Pilotphase beobachten.“

Diese zweijährige Pilotphase soll im kommenden Schuljahr an ein paar Dutzend repräsentativen Schulen beginnen. So hatte es das Kabinett kürzlich beschlossen. In dem Beschluss steht aber eben auch Folgendes: „Übersteigt die Nachfrage das einer Schule zur Verfügung stehende Kontingent, so trifft diese eine Auswahl unter Abwägung der pädagogischen Aspekte.“ Den Bedarf an Plätzen veranschlagt das Kultusministerium bei etwa 25 Prozent der Schülerzahl. Einen Rechtsanspruch auf Aufnahme in die „Mittelstufe Plus“ gibt es nicht. Darunter kann man kaum etwas anderes verstehen als eine Deckelung. Auch zusätzliches Geld soll es für den Versuch nicht geben.

Spaenle sieht es anders. Die 25 Prozent will er nun als bloßen „Richtwert“ verstanden wissen. Eine Annahme, um einen „Versuchsaufbau“ zu ermöglichen. Die Zahl ergebe sich aus einer Umfrage der Landeselternvereinigung, die einen Bedarf von einem Viertel ergeben hatte. Die Quote der Schüler, die im derzeitigen System Förderangebote beanspruchen, liegt laut Spaenle sogar nur bei 15 Prozent. Das sagt aber wenig darüber aus, wie viele Schüler zwar nicht förderbedürftig sind, aber eben trotzdem mehr Zeit wollen.

Bei den Lehrerverbänden und bei der Opposition hat sich derweil eine Vermutung breitgemacht: Mit Quotenbeschlüssen und Knauserigkeit wolle die CSU Eltern und Schüler offenbar bewusst verunsichern, heißt es. Wer an der Attraktivität des neuen Angebots zweifle, werde es auch nicht annehmen – so das vermutete Kalkül der Partei. Tatsächlich heißt es vor allem in der Fraktion immer wieder, eine Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit komme nicht infrage. Die „Mittelstufe Plus“ dürfe nicht zum „G 9 durch die Hintertür“ werden. Im Kultusministerium arbeitet man derzeit am genauen „Versuchsaufbau“ für die Pilotphase. Möglicherweise wird man schon bald sehen, wie es Spaenle tatsächlich mit der Quote hält.

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