München
Partyzone Isar

23.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:00 Uhr

Foto: Patrik Stäbler

München (DK) Tausende Münchner zieht es an Sommertagen ans Isarufer zum Feiern und Grillen. Für sie ist der Ausflug an den renaturierten Fluss Erholung pur. Die Anwohner jedoch klagen über Lärm, Grillrauch und „Ballermann-Zustände“. Auch die Politik will die Partyzone Isar beruhigen.

Ein sommerlicher Samstagmittag in München, unter der Erde rattert die U3 in Richtung Fürstenried West. In der U-Bahn herrscht ein Gedränge wie sonst nur zur Oktoberfestzeit. Doch statt Lederhose und Dirndl tragen die Menschen Flipflops, in der einen Hand die Kühltasche, in der anderen der Grill. Kaum ist der Bahnhof Thalkirchen erreicht, strömen die Massen ins Freie, über die Brücke und hinab ans Isarufer. Hier treffen sich die Münchner im Sommer zum Sonnen, Baden, Feiern, Grillen und Spaßhaben.

Rund 35 Millionen Euro hat die Stadt zwischen 2000 und 2011 in die Renaturierung der Isar gesteckt. Das Ziel: ein besserer Hochwasserschutz, mehr Naturnähe für die Flusslandschaft und – vor allem – ein höherer Freizeitwert. Letzteres hat fraglos geklappt: Tummelten sich früher rund um den Flaucher nur ein paar Nackerte am Flussufer, zieht es heute an sonnigen Tagen Abertausende zu den Kiesbänken und Wiesen an der Isar – einerseits.

Andererseits gibt es Menschen wie Paul Riedel. Er lebt kaum einen Steinwurf von der Thalkirchner Brücke entfernt und sagt dennoch: „Ich gehe im Sommer nicht mehr zum Fluss.“ Denn er und seine Nachbarn sind die Leidtragenden des Isar-Booms und seiner Folgen: Partylärm bis spät in die Nacht, laute Musik, Glasscherben, bis zu vier Tonnen Müll pro Tag und eine Grillrauchwolke, die wie Smog über dem Viertel hängt. „So dicht, dass man oft nicht mal bis zum anderen Ufer schauen kann“, sagt Riedel. „Was hier jeden Abend passiert, kann man sich nicht vorstellen.“

Der 55-Jährige gehört zu einer Gruppe von Anwohnern, die gegen diese „Ballermann-Zustände“ mobil machen. Sie haben Unterschriften gesammelt, Politiker angeschrieben und die Münchner Boulevardblätter angestachelt. „Wenn am Strand von Gran Canaria Ihr linker Nachbar den Gettoblaster aufdreht, Ihr rechter Nachbar grillt und hinter Ihnen sich jemand entleert, dann würden Sie denken: Was ist das für ein Land“, sagt Riedel. „Doch hier vor unserer Haustür unternimmt die Politik nichts dagegen.“

Das freilich stimmt so nicht. Denn die Stadt hat eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den Isarraum – immerhin ein Landschaftsschutzgebiet – sauberzuhalten. Im Sommer rücken die Reinigungstrupps täglich an; entlang des Ufers wurden 29 mobile Toiletten aufgestellt, dazu 15 Grill-Asche-Behälter, mehrere Container und 80 Gitterboxen für Müll. Städtische Aufseher patrouillieren bis 22 Uhr, in den Nachtstunden und am Wochenende dreht ein privater Wachdienst seine Runden.

Und doch wird die Stadt des Müllproblems nicht Herr, weshalb sich nun auch die Politik des Themas annimmt. „Das Grillen am Fluss ist ein Teil des Münchner Lebensgefühls“, sagt SPD-Stadträtin Bettina Messinger. „In der letzten Zeit hat sich jedoch gezeigt, dass die sensible Natur zunehmend vermüllt wird.“ Daher fordert ihre Partei per Antrag mehr Kontrollen, eine stärkere Polizeipräsenz und Warnschilder. Derweil hat der Bezirksausschuss Sendling eine Schadstoffmessung beantragt, um die Belastung der Anlieger durch den Grillrauch zu prüfen. „Mehrere Anwohner sind auf uns zugekommen und klagen über gesundheitliche Beschwerden“, sagt der Stadtteilpolitiker Rene Kaiser (Grüne). „Uns geht’s nicht um ein generelles Grillverbot. Wir wollen eine verträgliche Lösung für Mensch und Natur.“ Paul Riedel und seinen Mitstreitern jedoch geht all das allerdings nicht weit genug. Sie fordern einen Partystopp ab 22 Uhr, ein Glasverbot und ein Grillverbot – so wie es an der Isar weiter nördlich ab der Brudermühlbrücke gilt.

„Seit der Renaturierung vor fünf Jahren wird es hier immer schlimmer“, klagt der Münchner. „Die Scherben haben meinem Hund die Pfoten zerschnitten, der Grillrauch hängt bei mir in der Wohnung, und in der Nacht wache ich auf von der Musik und vom Geschrei der Besoffenen. So kann’s einfach nicht weitergehen.“