München
Doch kein Freispruch

Hausmeister erneut wegen "Badewannenmord" verurteilt – Anwalt und Prozessbeobachter sind entsetzt

17.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:56 Uhr

München (DK) Völlig überraschend verurteilt das Münchner Landgericht den Angeklagten im Revisionsprozess um den „Badewannenmord“ erneut zu lebenslanger Haft – auf der Grundlage von Indizien. Verteidiger und Prozessbeobachter reagieren entsetzt.

Gunter Widmaier hat schon viel erlebt im Laufe seiner Karriere, der Karlsruher Jurist gilt als einer der renommiertesten Revisionsanwälte Deutschlands. Doch so fassungslos wie gestern im Münchner Landgericht war er nach eigenen Worten noch nie. In der Neuauflage des Prozesses um den sogenannten „Badewannenmord“ wurde sein Mandant Manfred G. zum zweiten Mal zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl Prozessbeobachter und Medien fest mit einem Freispruch gerechnet hatten. Widmaier rang nach der Urteilsverkündung um Worte. „Noch nie hat mich ein Urteil so vom Stuhl gefegt wie dieses. Ich dachte während der Ausführungen der Richterin, ich würde träumen.“

Manfred G., Hausmeister einer Wohnanlage in Rottach-Egern, soll im Oktober 2008 eine 87-jährige Rentnerin in ihrer Wohnung auf den Kopf geschlagen und anschließend in ihrer Badewanne ertränkt haben. Im Mai 2010 hatte das Gericht ihn schon einmal schuldig gesprochen, das Urteil wurde jedoch vom Bundesgerichtshof (BGH) wegen gravierender Verfahrensmängel aufgehoben. Im November vergangenen Jahres begann die Neuauflage. Akribisch versuchten Gunter Widmaier und sein Kollege Peter Huber, die Unschuld ihres Mandanten zu beweisen. Das Opfer Lieselotte K. sei beim Versuch, Wäsche einzuweichen, von selbst in die Badewanne gefallen und ertrunken, so die Version der Verteidiger. Schon früher habe die Frau Ohnmachtsanfälle gehabt, sie war zwar geistig fit, aber körperlich gebrechlich. Am Tag ihres Todes war sie erst wegen einer Durchfallerkrankung aus dem Krankenhaus entlassen worden, sie hatte Tüten mit Schmutzwäsche dabei. Aber vor allem: Warum hätte Manfred G., der sich als Hausmeister und auch privat jahrelang liebevoll um die alte Dame gekümmert hatte, Lieselotte K. töten sollen?

Im ersten Prozess nannte der Staatsanwalt noch die Unterschlagung von Geld als Motiv. Dieser Vorwurf aber löste sich in Luft auf. Im zweiten Prozess mutmaßte derselbe Staatsanwalt, es sei zum Streit zwischen dem Opfer und Manfred G. gekommen, weil er an diesem Tag nur kurz bei der Rentnerin bleiben wollte, um anschließend seine eigene Mutter im Krankenhaus zu besuchen. Doch auch dieses Motiv glaubten die Verteidiger im Laufe des zweiten Prozesses entkräftet zu haben. Außerdem legten sie zahlreiche Indizien vor, die zeigen sollten, dass Lieselotte K. noch lebte, als der Angeklagte ihre Wohnung an jenem schicksalhaften Tag verließ. Laut Manfred G. war das gegen 15 Uhr – also am helllichten Tag. Ein Kassenbon lieferte dafür auch den Beweis. Als eine Pflegekraft Lieselotte K. tot in ihrer Badewanne fand, brannte aber überall in der Wohnung Licht.

Doch das Gericht glaubte die Version der Verteidigung nicht. „Das beweist gar nichts“, so die Richterin. Die Gesamtheit der Indizien beweise dagegen sehr wohl, dass Manfred G. ein Mörder sei. Wäre die alte Dame von selbst in die Wanne gestürzt, wäre sie anders zum Liegen gekommen, als es auf den Fotos vom Tatort zu sehen ist. Dazu hatten mehrere Zeugen ausgesagt, dass Lieselotte K. regelrecht Angst vor der Badewanne gehabt habe, und diese deshalb nie benutzt hätte. Warum also hätte sie just an dem Tag, an dem sie noch leicht geschwächt von einer Durchfallerkrankung war, ihre Schmutzwäsche in der Badewanne einweichen sollen?

Der 51-jährige Angeklagte nahm die Urteilsverkündung beinahe apathisch hin, unterbrochen nur von gelegentlichem Kopfschütteln. „Wir werden jetzt nicht aufgeben“, so Widmaier nach der Entscheidung. „Wir haben den BGH schon einmal davon überzeugt, dass dieses Urteil falsch ist, und wir werden es wieder schaffen.“ Alle Kraft wolle er in eine erneute Revision legen. Der Schuldspruch gestern war bereits das zweite Urteil im Prozess um den „Badewannenmord“, aber wohl nicht das letzte.