München
Bruchlandung für die dritte Startbahn

Im Münchner Kreisverwaltungsreferat erleben Sieger und Verlierer den Ausgang des Bürgerentscheids gemeinsam

17.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:23 Uhr

−Foto: Foto: Lennart Preiss (dapd)

München (DK) Es ist 20:05 Uhr als Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) im Münchner Kreisverwaltungsreferat vor die Kameras tritt und zur Niederlage Stellung nimmt. Das genaue Ergebnis des Bürgerentscheids steht da noch nicht fest. Aber eines ist schon klar: Die Münchner haben gegen den Ausbau des Flughafens gestimmt – mit klarer Mehrheit.

Ude spricht von einem „eindeutigen und klaren Ergebnis“. Er hatte sich immer für die Startbahn eingesetzt. Auch Ude hat verloren.
 

„Es ist für die Ausbaufreunde bei Stadt, Land und Bund ein Rückschlag, daran gibt es nichts zu deuteln“, sagt Ude. Die Münchner Stadtspitze werde das Ergebnis „ohne Wenn und Aber akzeptieren“. Sie wird das Projekt nun in der Gesellschafterversammlung ablehnen. Damit ist das Milliardenprojekt vorerst gescheitert. Für den Ausbau ist die Zustimmung aller Teilhaber nötig – auch der Stadt München. Von „Tricksereien“, um das Projekt doch noch zu verwirklichen, halte er nichts, sagt Ude. Zuletzt hatten CSU-Politiker vorgeschlagen, die Stadt München könne ihre Anteile am Flughafen notfalls verkaufen. Das komme nicht infrage, sagt Ude.

Es ist ein Ergebnis, mit dem kaum jemand gerechnet hat. Vor Wochen war man davon ausgegangen, dass die Münchner mehrheitlich für das Projekt sind. In einer sehr großen Koalition hatten CSU, SPD und FDP die Startbahn unterstützt. Aber die Gegner holten auf. Anfangs ist es gestern dann ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Im Kreisverwaltungsreferat sind Monitore aufgebaut. Darauf trudeln die Ergebnisse aus den einzelnen Stadtbezirken ein. Die Münchner stimmen über zwei Bürgerentscheide ab. Weil Gegner und Befürworter sich nicht auf eine Frage einigen konnten.

Für die Gegner ist der Landeschef der Grünen, Dieter Janecek und sein Parteifreund Christian Magerl gekommen. Magerl ist Vorsitzender im Umweltausschuss des Landtags. Und er ist Freisinger. Auch deshalb ist er schon seit Langem einer der lautstärksten Gegner des Ausbaus. Für die Startbahnbefürworter ist der Münchner CSU-Bezirkschef Ludwig Spaenle und Flughafensprecher Ingo Ansbach da. Später kommt auch Flughafenchef Michael Kerkloh persönlich vorbei.

Gegen 19.30 hat sich Christian Magerl ein Helles aufgemacht. „Der Trend ist stabil“ sagt er. „Nur in der Briefwahl steckt noch eine tickende Zeitbombe.“ Mehr als 100 000 Münchner haben vorher Briefwahlunterlagen beantragt. So viele wie selten bei einem Bürgerentscheid. Doch der Trend hält an. Immer wieder jubeln die Startbahngegner.

Seit Monaten schon läuft der Wahlkampf. Die Befürworter der dritten Startbahn glauben, dass der Flughafen nicht mehr ohne eine dritte Startbahn auskommt. Sollte sie verhindert werden, drohe der Flughafen an Bedeutung zu verlieren. Die Region verbaue sich Chancen auf Wirtschaftswachstum, meinen die Flughafenfreunde. Es gehe um Arbeitsplätze, um Chancen für die kommenden Generationen.

Die Gegner, darunter die Grünen, die Freien Wähler und ein Bündnis aus Flughafenanwohnern, halten den Ausbau für überflüssig. Es gebe noch Kapazitäten, meinen sie. Vor allem aber schade die dritte Startbahn der Umwelt und den Flughafenanwohnern, die unter dem Lärm und den Abgasen leiden. Der Region gehe es auch ohne den Flughafenausbau gut genug. In München und den Flughafenlandkreisen herrscht quasi Vollbeschäftigung. Zuletzt hatten Flughafenanwohner aus Erding aus Protest zwei Nächte in der Nähe der Staatskanzlei campiert.

Auch die Briefwahl ändert später kaum etwas. Kurz vor Schluss liegen die Startbahngegner in beiden Entscheiden mit rund 54 Prozent zu 46 Prozent vorne. Mit enttäuschten Gesichtern starren die Befürworter auf die Monitore. Am Schluss nimmt auch Flughafenchef Kerkloh Stellung zum Ergebnis. Das Ergebnis mache klar, „wie schwierig es in unserem Lande mittlerweile ist, die Bedeutung wichtiger Infrastrukturprojekte zu verdeutlichen“, sagt er. Er befürchte negative Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort München.

Die Sieger des Abends sind glücklich. Das sei „ein glücklicher Tag“ für das Umland, sagt die Sprecherin der Flughafenanwohner, Helga Stieglmeier. „Vielen Dank an die Münchner Bürger, dass Ihr Euch solidarisch mit uns gezeigt habt“, sagt die Erdingerin. Dann geht sie zur Wahlparty. In einer Münchner Kneipe, gleich um die Ecke.