Mordversuch im Kreißsaal

24.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:25 Uhr

München (DK) Eine Hebamme soll im Münchner Klinikum Großhadern versucht haben, Frauen bei Kaiserschnitt-Geburten umzubringen. Die Staatsanwaltschaft wirft der 33-Jährigen vor, zwischen April und Juni dieses Jahres vier werdenden Müttern heimlich blutverdünnende Mittel verabreicht zu haben.

Nur mit „notfallmedizinischen Maßnahmen“ hätten die Ärzte das Leben der Mütter retten können, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei gestern mit. Auch die Neugeborenen befanden sich den Angaben zufolge in akuter Lebensgefahr. Inzwischen geht es den Frauen und ihren Kindern aber wieder gut. Die Hebamme sei bereits am Freitag vergangener Woche an ihrem Arbeitsplatz festgenommen worden, hieß es weiter. Zu einem möglichen Motiv konnten die Ermittler zunächst nichts sagen. Die Frau aus dem Münchner Umland sei ledig und habe selbst keine Kinder. Bevor sie als Hebamme im Jahr 2012 ans Klinikum Großhadern kam, habe die Frau in Krankenhäusern außerhalb Bayerns gearbeitet. Die Ermittler wollen nun auch ihre früheren Arbeitgeber kontaktieren.
 
Nach Polizeiangaben war die 33-Jährige die einzige Person, die bei allen vier kritischen Geburten im Kreißsaal war. Die Frau, die derzeit in Untersuchungshaft sitzt, habe die Vorwürfe zunächst bestritten. „Sie sagte, das stimmt alles nicht“, teilte Kripo-Sprecher Markus Kraus mit. Nach Rücksprache mit ihrer Anwältin habe sie sich dann aber dazu entschieden, keine weiteren Angaben zu machen.

Aufgedeckt wurde der Fall, weil das Klinikum am 10. Juli Anzeige erstattet hatte. Den Verantwortlichen sei aufgefallen, dass es bei den Kaiserschnittgeburten zu Blutungen mit einer auffälligen Veränderung des Blutgerinnungssystems gekommen war, hieß es. „Die Frauen hatten Risikoschwangerschaften und neigten zu verstärkten Blutungen“, teilte die Klinik mit. Ein Gutachten habe die Manipulation bestätigt. Die Hebamme soll das blutverdünnende Medikament Heparin, das normalerweise bei Thrombose-Patienten eingesetzt wird, in hoher Dosis in die Infusionsflaschen gefüllt haben. Jeder mit medizinischen Grundkenntnissen wisse, dass Heparin bei einer Operation nichts verloren habe, sagte Peter Preuß von der Staatsanwaltschaft München I gestern bei einer Pressekonferenz in München. Sollten die Vorwürfe zutreffen, habe die Frau „bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit ihrer Opfer ausgenutzt“. Damit sei das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt.

„Wir sind betroffen, wir sind bestürzt“, sagte der ärztliche Direktor des Klinikums, Karl-Walter Jauch. Es deute einiges darauf hin, dass die Frauen mit Risikoschwangerschaften gezielt ausgesucht worden seien. „Es ist eine ganz fürchterliche Situation für uns alle“, erklärte der Direktor der Frauenklinik, Klaus Friese.