"Lasst unser Opfer genug sein"

05.10.2011 | Stand 03.12.2020, 2:19 Uhr

Die Bronzefigur eines Gefallenen in der Gedenkstätte mahnt: „Lasst unser Opfer genug sein, schwört ab der Gewalt und rettet den Menschen im Menschen.“ - Foto: Leykam

Treuchtlingen (DK) Es waren schreckliche Stunden für Treuchtlingen: Bei zwei Luftangriffen starben dort 1945 insgesamt 400 Menschen. Heute erinnert in luftiger Höhe die drittgrößte Kriegsgräberstätte im Freistaat an den Wahnsinn zweier Weltkriege.

Am neunten Oktober lädt die Stadt zur Gedenkstunde anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Friedhofs am Nagelberg. Vorschub für dessen Errichtung leistete zu Beginn der 1950er Jahre ein neues Gesetz, das den dauerhaften Erhalt von Kriegsgräbern einforderte. Der 1956 zum Bürgermeister Treuchtlingens gewählte Hans Döbler machte sich daraufhin für den Standort einer solchen Mahnstätte mit Opfern beider Weltkriege in der Altmühlstadt stark – und überzeugte sowohl den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wie auch die bayerische Staatsregierung. Die verkehrsgünstige und landschaftlich schöne Lage sowie die Nähe zu Sammelgräbern der Luftkriegsopfer gaben den Ausschlag zugunsten des Nagelbergs. Die weithin sichtbare Totenstätte sollte zu einem Mahnmal der Besinnung werden. So geschah es dann auch.

Im Rahmen der Errichtung gab es baulich eindrucksvolle Momente mit ungeheurer Symbolkraft. So wurde von einem Bundeswehrhubschrauber der signifikante, 19 Meter lange und eineinhalb Tonnen schwere Turmhelm im Zentrum der Gedenkstätte platziert – genau über einer Bronzefigur, die einen gefallenen Soldaten darstellt. Um sie herum steht im Boden eingemeißelt ein Spruch, der zutiefst berührt: „Lasst unser Opfer genug sein, schwört ab der Gewalt und rettet den Menschen im Menschen.“ In dem Mauerstück zwischen Turm und Figur befindet sich eine Aussparung, ein Fenster ins wunderschöne, friedliche Altmühltal.

Diese Kombination kann niemanden kalt lassen. Ebenso wie die gesamte Kriegsgräberstätte, zugleich die drittgrößte im Freistaat. 2545 Tote – darunter 316 Zivilisten – liegen hier begraben, die meisten aus Bayern, aber auch viele Menschen aus anderen Teilen Deutschlands wie auch aus ganz Europa fanden hier ihre letzte Ruhestätte.

Viele von ihnen wurden aus Sammelgräbern umgebettet – was sich als einmalige Gelegenheit erwies, bislang nicht identifizierten Verstorbenen ihren Namen zurückzugeben. 168 Mal gelang dies, 355 Tote blieben unbekannt. Diese unbekannten Soldaten erfahren seit 50 Jahre eine besondere Ehre und Pflege: Ihre Grabsteine werden jährlich am Volkstrauertag von Treuchtlinger Schülern mit Tannenzweigen geschmückt. Insgesamt sind es fünf Grabfelder, die sich in geschwungener Form in das Grün der Stätte schmiegen, bereichert durch einen künstlich angelegten Bachlauf.

„Ölberg“ ist der Flurname des am westlichen Hang des Nagelbergs gelegenen Friedhofs, der wohl nicht passender hätte benannt werden können. Beim Aufstieg dorthin folgt der Besucher dem „Weg der Besinnung“, gekennzeichnet durch Steinkreuze mit den Jahreszahlen des Zweiten Weltkriegs. Am Friedhof angekommen, weist ein Spruch in der Mauer dem Besucher den Sinn der Stätte: „Den Toten zur Gerechtigkeit, den Lebenden zur Umkehr.“ Im Inneren der Gedächtnisanlage mahnt zudem ein großes Buch mit Metallseiten, auf denen die Namen der Toten eingraviert sind. Das Konzept der Mahnstätte ist in sich stimmig, regelmäßig wird sie von Angehörigen auch von weiter weg besucht.