Landshut
"Vor so einer Polizei habe ich Angst"

Der Prozess um den angeblich bedrohten Schrotthändler im Fall Rupp wirft ein zweifelhaftes Licht auf die Ermittler

03.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:45 Uhr

Die Wende im Fall Rupp: Am 10. März 2009 fischten Polizeitaucher Rudolf Rupps Mercedes aus der Donau. In dem Auto fanden sie die Leiche des Neuburger Landwirts. Bis dahin hatten die Ermittler geglaubt, seine Familie habe ihn an die Hofhunde verfüttert. Archivfoto: Rein

Landshut (DK) Am Landshuter Amtsgericht wird gegen einen Schrotthändler aus dem Donaumoos wegen Falschaussage verhandelt. Er hatte behauptet, ein Polizist habe ihn bei einer Vernehmung im Fall Rupp mit einer Pistole bedroht. Gestern gab es die Plädoyers.

Im Prinzip ist es ein Prozess, in dem es nur um eine simple Falschaussage geht. Nichts Spektakuläres. Doch eigentlich geht es in diesem Verfahren am Landshuter Amtsgericht um mehr. Es geht – nach dem Ende des Wiederaufnahmeverfahrens im Februar 2011 noch einmal – um die zweifelhaften Ermittlungen der Ingolstädter Behörden im Fall Rupp. Es geht um Geständnisse von Taten, die so nie passiert sind. Es geht um Polizisten, die auffällige Erinnerungslücken haben. Und es geht um einen Oberstaatsanwalt, der es mit den üblichen Gepflogenheiten offenbar nicht so genau genommen hat.

Seit drei Prozesstagen wird in Landshut gegen einen Schrotthändler aus dem Donaumoos verhandelt. Er hatte im Wiederaufnahmeverfahren zum Fall des getöteten Neuburger Landwirts Rudolf Rupp Ende 2010 behauptet, er sei während einer Vernehmung im Jahr 2004 von einem Polizeibeamten mit einer Pistole bedroht worden, damit er sein Aussageprotokoll unterschreibe. Jetzt stehen noch einmal die Ermittlungsmethoden von damals im Fokus. Gestern trat der letzte der drei Beamten (darunter eine Frau), die bei dem angeblichen Vorfall dabei gewesen sein sollen, in den Zeugenstand.

Der Beamte bestritt die Vorwürfe. Sein Kollege habe den Schrotthändler nicht mit einer Waffe bedroht. „Es war absolut nichts“, sagte der Polizist. „Der möchte einfach nur die Polizei in Schwierigkeiten bringen.“ Ein mögliches Motiv des Angeklagten sei Rache. Der Schrotthändler hatte nämlich während der Ermittlungen im Fall Rupp etwa fünf Monate zu Unrecht in U-Haft gesessen, weil man annahm, er habe das Auto des Bauern – wie auch immer – verschwinden lassen.

Der Beamte sagte weiter aus, dass der Schrotthändler bei dem Verhör 2004 aufbrausend und richtig zornig gewesen sei. Er sei mit ihm überhaupt nicht klargekommen, erklärte der Polizist, weshalb nach fünf bis zehn Minuten seine Kollegin die Vernehmung weiterführte. Dadurch habe er gehofft, der Schrotthändler beruhige sich. Von da ab sei er „passiv“ gewesen. Warum seine Kollegin dieses oder jenes fragte, wollte er nicht kommentieren.

Das Protokoll der Vernehmung, auf dem die entscheidende Unterschrift fehlt, bezeichnete er als „reinen, ergänzenden Formalismus“. Worauf Richter Bernhard Suttner etwas lauter wurde: „Wer hat denn diese Parole ausgegeben? Das ist rechtlicher Blödsinn, um es mal deutlich zu sagen!“ Fakt sei, dass mit Fehlen der Unterschrift die Genehmigung für die Aussage nicht erfolgt sei. Nicht die einzige Ungereimtheit in diesem Fall. Dass es sich bei dem Verhör um eine sogenannte „staatsanwaltliche Vernehmung“ handelte, der zuständige Oberstaatsanwalt Christian Veh bei der mehreren Stunden andauernden Vernehmung aber nur wenige Minuten dabei war, verblüffte den Richter ebenfalls. Das sei nicht üblich. „Das scheint wohl eine Ingolstädter Spezialität zu sein.“

Staatsanwalt Hubert Krapf forderte ein Jahr und acht Monate Gefängnis für den Angeklagten. Die Sache mit der Pistole sei „erstunken und erlogen“. Warum gehe er erst über sechseinhalb Jahre nach dem angeblichen Vorfall an die Öffentlichkeit? Außerdem habe der Angeklagte behauptet, der Polizist habe die Waffe aus seiner Jacke gezogen. Dieser hatte aber ausgesagt, seine Pistole immer im Hosenholster zu tragen. „Da hat er sich ein Eigentor geschossen.“ Gegen den Schrotthändler sprächen auch dessen 17 Vorstrafen, darunter Bedrohung, Diebstahl und Körperverletzungen.

Krapf gestand auch eigene Fehler ein. So sei es falsch gewesen, es den beschuldigten Beamten zu erlauben, lediglich eine Stellungnahme einzureichen, statt diese ordentlich zu vernehmen. „Da bin ich eingeknickt“, sagte Krapf. „Man muss alle gleich behandeln.“

Die Rechtsanwälte des Schrotthändlers zogen die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Polizeibeamten in Zweifel. „Das ist alles großer Unfug, da stimmen nur grobe Ausstanzungen“, sagte Klaus Wittmann. „Man will uns hier für blöd verkaufen.“ Nachdem die stundenlange Vernehmung am Ende nichts ergeben hatte, sei dem Polizisten einfach der Kragen geplatzt.

Kollegin Regina Rick gab noch einmal zu bedenken, wie merkwürdig es auch gewesen sei, dass die Polizisten drei Zeugen hätten auftreiben können, die – nachweislich nicht erfolgte – Entsorgung des Mercedes von Rudolf Rupp bestätigt hatten. „Vor so einer Polizei habe ich Angst“, sagte Rick. Die beiden Verteidiger plädierten auf einen Freispruch ihres Mandanten.

Das Urteil soll am 17. Dezember fallen.