Ingolstadt
"Das Vergnügen steht im Vordergrund"

10.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:16 Uhr

Der Ausnahmezustand herrscht am heutigen Unsinnigen Donnerstag in vielen Orten. So treiben etwa in Allersberg im Landkreis Roth wieder die Flecklasmänner ihr Unwesen. - Foto: DK

Ingolstadt (DK) Ob Fasenickl in Kipfenberg, Flecklashexen in Allersberg oder Chinesenfasching in Dietfurt: Mit dem heutigen Unsinnigen Donnerstag beginnt in Bayern wieder die "narrische Zeit", in der die Menschen – zumindest für Außenstehende – allerhand sonderbaren Bräuchen nachgehen.

Beim Ursprung des Faschings gehen die Meinungen auseinander. Weit verbreitet ist etwa die Annahme, dass mit den Maskierungen sowie mit den Streichen der Narren der Winter vertrieben werden soll. "Dafür gibt es keine historischen Belege", weiß aber Michael Ritter vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege in München. Ihm zufolge liegen die Wurzeln des Faschings in der christlichen Tradition. Die Menschen hätten sich früher damit auf die strenge Fastenzeit vorbereitet.

"Der Fasching ist ein Gegenentwurf zum christlichen Weltverständnis, also ein irdisches Vergnügen im Gegensatz zur spirituell-geistlichen Welt", erklärt Ritter. "Es durfte in diesen Tagen sozusagen mit kirchlicher Erlaubnis über die Stränge geschlagen werden." Reichliches Essen und Trinken gehörte ebenso dazu wie das Verkleiden, um eine "verkehrte" Welt, einen Ausnahmezustand, darzustellen.

Die einzelnen Bräuche haben sich regional allerdings völlig unterschiedlich entwickelt. Während die Ausrichtung von Faschingsbällen, die Veranstaltung von Umzügen oder der "organisierte" Fasching, etwa in Form von Tanzgruppen, früher auf ganz bestimmte Regionen beschränkt war, haben sich heute die einzelnen Faschingsfeierlichkeiten stark vermischt. Nun gibt es überall alles. Das findet Ritter auch nicht weiter schlimm: "Egal, wie gefeiert wird – das Vergnügen steht im Vordergrund. Beim Fasching geht es gar nicht so sehr um Traditionen, sondern in erster Linie darum, dass die Leute ihre Freude haben."

Bei den meisten Bräuchen ist es sehr schwer, den genauen Ursprung herauszufinden. Viele gibt es bereits seit Jahrhunderten. So lässt sich etwa der Fasenickl aus dem Raum Kipfenberg/Kinding im Altmühltal bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Fasenickl ist eine der zentralen Figuren der alten fränkischen Fastnacht. Mit einer Maske aus Lindenholz und und einem mit kleinen Rauten verzierten Kostüm zieht er durch den Ort und schnalzt mit seiner Peitsche.

Der Beginn des Hexenbrauchtums im mittelfränkischen Allersberg (Landkreis Roth) ist nicht genau bekannt. Es soll allerdings aus der Zeit nach 1475 stammen, als Allersberg zur "Jungen Pfalz Neuburg" gehörte. Heute schlüpfen ab Unsinnigen Donnerstag meist junge Männer in die bunten Flickenkostüme und werden damit zu Flecklashexen.

Als etwas "ganz Außergewöhnliches" bezeichnet Heimatpfleger Ritter den Chinesenfasching in Dietfurt (Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz), bei dem sich die Bürger als Chinesen verkleiden. Das geschieht zwar erst seit 1954 – der Ursprung dieses Brauchs geht aber bis in das späte Mittelalter zurück. Die Legende besagt, dass die Dietfurter damals einmal den bischöflichen Steuereintreiber nicht in den Ort gelassen hätten. Empört meldete dieser in Eichstätt dem Bischof, die Dietfurter kämen ihm vor wie die Chinesen, die sich hinter einer großen Mauer verschanzten.

Eine lange Tradition, vor allem in der Oberpfalz und in Niederbayern, hat auch die Beerdigung des Faschings: Der Fasching, oft als Strohpuppe dargestellt, wird zu später Stunde in einem Trauerzug durch den Ort getragen und schließlich verbrannt oder begraben. Manchmal übernimmt auch ein junger Mann oder der Faschingsprinz die Rolle der Puppe. In einem Sautrog, oft mit Alkoholresten übergossen, schleppen ihn seine Kumpane erst durch die Straßen und schließlich doch wieder zurück ins Wirtshaus, wo ein symbolischer Leichenschmaus abgehalten wird.