"Nie gehört"

Die Ex-Sozialministerinnen Stamm und Stewens bestreiten, von der Firma Sapor gewusst zu haben

16.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:39 Uhr

München (DK) Drei aktuelle und ehemalige Sozialministerinnen haben gestern im Untersuchungsausschuss zur Modellbauaffäre um das Ehepaar Haderthauer ausgesagt. Im Mittelpunkt standen die Zustände in den forensischen Psychiatrien in Bayern.

Da sitzt sie – die Grande Dame des bayerischen Landtags. Eine ungewohnte Rolle, wie Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) selbst feststellt. Mit 71 Jahren sei es ihr erster Zeugenauftritt vor einem Untersuchungsausschuss. „Aber das gehört vielleicht zu einem politischen Leben.“ Grund für Stamms Auftritt im U-Ausschuss Modellbau, der die Affäre um die ehemalige Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) und ihren Mann Hubert aufarbeitet, ist ihr früherer Posten als Sozialministerin, den sie von 1994 bis 2001 bekleidete.

Ihre Aussage dreht sich immer wieder um die gleichen Punkte: Sicherheit, Geldnot und Baumängel in der Forensik. Ausschusschef Horst Arnold (SPD) fragt beharrlich nach, Stamm gibt beharrlich – und zum Ende hin sichtlich genervt – immer wieder die gleichen Antworten, die sich vor allem um die Behebung dieser Defizite drehen. Als die Sprache auf die umstrittene Modellbautherapie kommt, bestreitet Stamm, diese und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken gekannt zu haben. Sie könne sich nicht erinnern, dass dies an sie herangetragen worden sei, sagt sie aus. Grundsätzlich habe es in allen forensischen Psychiatrien in Bayern in den 90er-Jahren riesigen Nachholbedarf gegeben. Die Insassen hätten zu wenig Platz gehabt, es habe gravierende Sicherheitslücken mit häufigen Ausbrüchen gegeben, und es habe großer Personalmangel bestanden. An die konkrete Therapie, in der die wertvollen Modellautos hergestellt wurden, die über die Firma Sapor Modelltechnik der Hader?thauers vertrieben wurden, könne sie sich aber nicht erinnern.

Frühere Mitarbeiter hatten im Ausschuss ausgesagt, dass die Therapie im Bezirkskrankenhaus Ansbach, die vom derzeit suspendierten Landgerichtsarzt Hubert Haderthauer mit aufgebaut worden war, extrem problematisch war. Sie berichteten von weitreichenden Sonderrechten des Dreifachmörders Roland S., der die Modelle in der Therapie herstellte. Dieser hatte demnach Zugang zu gefährlichen Werkzeugen, war von der Post- und Zimmerkontrolle ausgenommen, verfügte über ein eigenes Telefon und viel Bargeld und hatte sogar einen eigenen Schlüssel. Stamm erklärt, mit Lockerungen des Maßregelvollzugs sei sie „nicht ernsthaft konfrontiert“ gewesen. Das liege in der Hand der Ärzte. Mit Blick auf Sicherheitsmängel betont sie: „Zuständig sind die Bezirke.“

Wie im Amt als Ministerin folgt auch im U-Ausschuss Christa Stewens (CSU) auf Stamm. Sie war bis 2008 Sozialministerin, bevor sie von Christine Haderthauer abgelöst wurde. Stewens sagt als Zeugin aus, dass sie die Modellbautherapie, die im Jahr 2000 nach Straubing umgezogen war, zwar gekannt, aber von den genauen Umständen wie den Verträgen mit Haderthauers Firma nichts gewusst habe. „Mir ist das als ganz normale Arbeitstherapie vermittelt worden“, erklärt sie. Und: „Den Namen Sapor habe ich erst viel, viel später aus der Presse entnommen. Solange ich Ministerin war, habe ich das nie gehört.“

Dritte Sozialministerin im Zeugenstand ist an diesem Tag die aktuelle Amtsinhaberin Emilia Müller (CSU), die 2013 auf Haderthauer folgte. Sie stellt gleich zu Beginn ihrer Aussage klar, nicht viel zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses beitragen zu können, da die Vorgänge vor Beginn ihrer Amtszeit lägen. Vorwürfe, dass es in ihrem Haus chaotisch zugehe, weil ein für den Ausschuss relevanter Aktenvermerk lange verschwunden war, weist Müller entschieden zurück. Die Arbeit im Sozialministerium funktioniere „sehr gut“.