"Für mich war das keine Therapie"

29.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:37 Uhr

Christine und Hubert Haderthauer – hier bei einem Empfang vor vier Jahren – waren nacheinander Geschäftsführer einer Firma, für die ein verurteilter Dreifachmörder teure Modellautos baute - Foto: Imago

München (DK) Sonderrechte für einen gefährlichen Straftäter, große Sicherheitslücken, Hubert Haderthauer als Strippenzieher: Vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss haben Zeugen die Modellbautherapie in der Ansbacher Forensik gestern sehr negativ dargestellt.

Den selbstbewussten Modellbauer im Maßregelvollzug hielt der neue Arbeitstherapeut Josef H. zunächst für einen Kollegen. „Ich dachte, er sei ein Ko-Therapeut, weil er den entsprechenden Auftritt hatte – mit Schlüsselgewalt“, berichtete H. vor dem Ausschuss. Roland S. besaß demnach einen Schlüssel zum Therapeutenbüro, in der Werkstatt hantierte er mit Bohrern und Skalpellen. Es sollte zwei bis drei Wochen dauern, bis der Therapeut begriff, dass Roland S. ein Patient war, ein psychisch kranker Dreifachmörder. Im Landtag schilderte H. die Sonderstellung, die S. in der Forensik genoss – und wie der Ingolstädter Landgerichtsarzt Haderthauer auf den Klinikalltag Einfluss nahm.

Als Josef H. 1995 in Ansbach seinen Dienst antrat, bestand der Modellbau im Bezirksklinikum schon mehrere Jahre. Zusammen mit weiteren Patienten fertigte Roland S. für die Firma Sapor Modelltechnik hochwertige Automodelle, die für mehrere tausend Euro verkauft wurden. Hubert Haderthauer war seinerzeit als junger Stationsarzt in Ansbach nicht nur maßgeblich an der Einführung dieser Arbeitstherapie Modellbau beteiligt gewesen – sondern auch an der Gründung der Firma Sapor, deren Gesellschafter seine Frau Christine und er nacheinander waren.

„Für mich war das keine Therapie“, kritisierte Josef H. Das Sagen im Modellbau habe nicht ein Therapeut, sondern S. gehabt. Hubert Haderthauer war zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren nicht mehr am Bezirksklinikum beschäftigt – und trotzdem noch sehr präsent. Der Doktor sei nicht nur häufiger vorbeigekommen, um fertige Autos abzuholen, berichtete der Zeuge. Er habe auch „sehr viel bestimmt, was eigentlich ein außenstehender Arzt meiner Meinung nach nicht tun dürfte“. Die vielfältigen Sonderrechte, die S. genoss, habe Haderthauer durchgesetzt. Die Sicherheitsvorkehrungen in Ansbach seien nicht hinnehmbar gewesen. „Da hat der Schutzengel ganze Arbeit geleistet.“

Die Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote wertete die Aussage als weiteren Beleg dafür, dass es ein enges Geflecht zwischen Hubert Haderthauer und den Ansbacher Ärzten gegeben habe. Alle hätten vor Haderthauer gekuscht – Gote geht davon aus, dass über dem Ingolstädter Arzt „jemand die Hand gehalten“ habe.

Ausschuss-Vize Florian Herrmann von der CSU dagegen sprach von einem wertlosen Zeugen. H. habe einen großen Belastungseifer an den Tag gelegt, sich bei genauerem Nachfragen aber an vieles nicht mehr erinnern können.

Nicht vertretbare Sonderrechte für S. sowie ein „gravierendes Sicherheitsproblem“ beschrieb im Untersuchungsausschuss auch Gerhard Siegler – in den 90er Jahren Pflegedirektor im Bezirksklinikum Ansbach, heute Bürgermeister von Weidenbach (Kreis Ansbach). „Ich hatte Angst um die Mitpatienten, aber auch um das Pflegepersonal“, berichtete er.

S. habe den Modellbau praktisch geleitet, so Siegler. Schrank- und Zimmerkontrollen – in der Forensik eigentlich üblich – hätten Pfleger bei diesem Patienten auf Anordnung der Ärzte nicht vornehmen dürfen. Die Mediziner hätten auch dafür gesorgt, dass sich ihr Ex-Kollege Haderthauer frei im Maßregelvollzug bewegen durfte. Vehement habe die Ärzteschaft in Ansbach gegen bessere Sicherheitsvorkehrungen gekämpft. „Dass dort nichts passiert ist, ist dem Pflegedienst zu verdanken.“