Der Mann ohne Handy

08.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:32 Uhr

München (DK) Hier ein kurzes Telefonat mit dem Pressesprecher, dort eine SMS an den Parteifreund: Mächtige wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Horst Seehofer machen mit dem Handy selbstverständlich Politik.

Martin Runge, Fraktionschef der Grünen im Landtag, kann dem nichts abgewinnen. Als einer der letzten Spitzenpolitiker weigert der 53-Jährige sich, ein Mobiltelefon zu besitzen. Gründe dafür gebe es viele, sagt Runge im Interview mit unserem Redakteur Til Huber – von möglichen Gesundheitsschäden bis zu einem drohenden Verfall der Gesprächskultur.

Herr Runge, als einziger Spitzenpolitiker in Bayern haben Sie kein Handy. Wie sind Sie denn überlebensfähig?

Martin Runge: Die Frage ist ja wohl völlig überzogen. Um überlebensfähig zu sein, braucht man doch nicht so ein Teil. Ich bin aber sehr wohl auch ohne Handy arbeits- und handlungsfähig.

Und wie arbeiten Sie so ohne Handy?

Runge: Ich habe mehrere Telefonanschlüsse mit Anrufbeantworter, E-Mail-Adressen und Faxgeräte. Ich informiere immer mein Büro und die Pressestelle, wo ich gerade zu erreichen bin. Das funktioniert bisher recht gut.

Was machen Sie denn dann, wenn Sie unterwegs telefonieren müssen?

Runge: Es gibt eigentlich nur eine richtige Notsituation. Die ist bedingt durch das aktuell hundsmiserable Angebot der Bahn mit den ständigen Verspätungen und Zugausfällen. Da ist man dann schon mal in Nöten, wenn ein Termin nicht zu halten ist. Zumal die Telefonzellen auch in Bahnhöhen einfach knapper werden. Wenn keine Telefonzelle zu erreichen ist, bin ich schon so frei, jemanden anzusprechen.

Leihweise nehmen Sie dann also doch mal ein Handy?

Runge: Ja, aber wirklich nur im Notfall und nur für ganz kurze Meldungen. Ich hätte Sie wegen dieses Gesprächs auch nicht auf dem Handy angerufen.

Das ist aber jetzt ganz schön fundamentalistisch.

Runge: Das ist doch nicht fundamentalistisch. Wenn es wirklich wichtig ist, habe ich mit der Mobiltelefoniererei kein Problem. Aber doch nicht für reines Blabla oder für lange Gespräche. Es gibt sinnvolle Anwendungen der Mobiltelefonie, etwa für Architekten oder für andere, die auf Baustellen zu tun haben. Oder im Falle von Notarzteinsätzen. Aber dass Mobiltelefone zunehmend das Festnetz ersetzten, das halte ich für keine gute Entwicklung.

Was spricht denn dagegen?

Runge: Erstens ist sind die gesundheitlichen Auswirkungen von mehr und mehr Mikrowellen, wozu auch die Handystrahlung gehört, völlig ungewiss. Es ist ein epidemiologischer Großversuch, dem wir uns gerade unterziehen. Nicht umsonst warnen immer mehr Ärzte und andere Wissenschaftler vor Mikrowellen und nicht umsonst mahnt die Staatsregierung an, in den Schulen möglichst kein Wireless Lan zu installieren. Zweitens ist unser Alltag hektisch genug. Drittens kehrt durch die Handymanie eine wahnsinnige Kurzfristverbindlichkeit, ja sogar Unverbindlichkeit und Unzuverlässigkeit ein.

Ihre Mitarbeiter fluchen aber wahrscheinlich, wenn sie Sie erreichen wollen.

Runge: Ich glaube, die wären eher gestraft, wenn ich ein Handy hätte. Ich setze ja jetzt schon alle unter Dampf.

Ist Ihnen schon mal eine wichtige Nachricht durch die Lappen gegangen, weil Sie nicht erreichbar waren?

Runge: Eigentlich nicht. Wir leisten uns in der Landtagsfraktion ja den Luxus der Doppelspitze. Wenn ich mal nicht erreichbar sein sollte, dann kann selbstverständlich auch meine Co-Vorsitzende Margarete Bause Rede und Antwort stehen.

Viele Ihrer Kollegen machen sogar mit Handy oder Smartphone Politik, schreiben schon während Sitzungen SMS. Das haben Sie offenbar nicht nötig.

Runge: Es ist mir eben einfach nicht möglich. Es ist aber auch nicht schön, wenn man auf Veranstaltungen ist, und die Leute ständig auf ihr Handy schielen, um zu sehen, was es gerade neues gibt. Darunter leidet die Gesprächskultur.

Haben Sie da in Ihrer Fraktion die Zügel angezogen?

Runge: Wir haben die Regel, dass in den Fraktionssitzungen kein Handy läuten darf. Und wenn jemand immer nur abwesend ist, weil er seine Nachrichten durcharbeitet, erlauben wir uns schon mal einen entsprechenden Hinweis.

Wie lange halten Sie noch durch?

Runge: Sie meinen, Fraktionsvorsitzender zu sein . . .

Ein handyloser Fraktionsvorsitzender zu sein.

Runge: Es läuft und es wird auch die nächsten Monate weiterhin so laufen. Da bin ich guter Dinge.