Debatte um Prügelvorwürfe gegen Polizei

27.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:21 Uhr

München (DK) Nach der Häufung von Prügelvorwürfen gegen die Rosenheimer Polizei haben Politiker aller Landtagsfraktionen gestern eine rasche Aufklärung gefordert. In einer emotional geführten Debatte verlangten die Grünen gar die Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungsbehörde.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) trägt das Abzeichen der „Wiesnwache“ am Revers, als er ans Rednerpult tritt. Polizisten haben es ihm auf dem Oktoberfest überreicht. Für Herrmann ist es auch ein Symbol der Solidarität mit den bayerischen Beamten. „Was nach gegenwärtiger Einschätzung in Rosenheim passiert ist, ist nicht typisch, weder für die Rosenheimer Polizei, noch für die bayerische Polizei“, ruft er. Er sei stolz auf die Beamten im Freistaat. Es handele sich aber um einen „sehr schwerwiegenden Fall“, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. „Wo Unrecht geschehen sein sollte, entschuldige ich mich ausdrücklich dafür, im Namen unserer bayerischen Polizei.“

Herrmann reagiert auf Ereignisse, die vergangene Woche bekannt geworden waren. Der Chef der Rosenheimer Polizeiinspektion soll einen Jugendlichen, der bei einem Volksfest wegen einer Rangelei aufgegriffen wurde, auf der Wache brutal zusammengeschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Beamte ist vom Dienst suspendiert. Polizisten derselben Behörde sollen im November 2010 eine Familie niedergerungen und verletzt haben – vor den Augen eines dreijährigen Jungen, der sich offenbar versteckte. Ermittlungen gegen sie wurden eingestellt. Stattdessen wird gegen die Familie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt.

Die Grünen-Fraktion, auf deren Antrag debattiert wird, ist empört. „Was sich in Rosenheim abgespielt hat, ist ein handfester Skandal“, sagt Susanna Tausendfreund, Rechtsexpertin der Fraktion. Sie äußert Zweifel daran, ob die Ermittlungen gegen den Polizisten auch ohne Druck von außen zustande gekommen wären und fordert eine von der Polizei unabhängige „Beschwerdestelle“ zur Aufklärung solcher Fälle. Tausendfreund sagt: „Wir fordern eine andere Polizeikultur.“

Die anderen Fraktionen sehen die Situation weniger dramatisch. Die Vorwürfe machten betroffen, sagt der CSU-Abgeordnete Manfred Ländner. Aber vor allem deshalb, weil die anderen 30 000 bayerischen Polizisten, die „täglich hervorragenden Dienst verrichten“, in Misskredit gerieten. Ähnlich äußert sich FDP-Mann Andreas Fischer. Seine Partei sehe die Polizei immer noch „als Bürger in Uniform und als Freund und Helfer“. Bayern stehe in Sachen Polizeigewalt im Bundesvergleich weit hinten in der Statistik, sagt Harald Schneider (SPD). Und Joachim Hanisch von den Freien Wählern betont, die bayerische Polizei sei die Institution, die am meisten Vertrauen bei den Bürgern genießt.

Trotzdem sind sich alle einig: Wenn die Vorwürfe zutreffen, dann müsse das klare Konsequenzen haben. Die Vorwürfe müssten rückhaltlos aufgeklärt werden, heißt es immer wieder. „Wir sagen ja zur Arbeit unserer Polizei, aber wir sagen auch ja dazu, dass bei Fehlverhalten die ganze Härte des Gesetzes anzuwenden ist“, sagt CSU-Mann Ländner.

Was während der Debatte niemand weiß: Die Familie, die bei dem Polizeieinsatz verletzt worden ist und der nun Vorwürfe gemacht werden, sitzt während alledem auf der Tribüne. Ihr Besuch wird erst später bekannt. Noch während der Debatte verlässt die Familie unter Tränen den Landtag – weil sie die Diskussion nicht mehr ertragen habe, berichtet die Grünen-Abgeordnete Claudia Stamm. „Die sind zusammengebrochen.“