Berlin
Trost für die Angehörigen, Lob für Sicherheitskräfte

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich erst am Tag nach dem Amoklauf zu spät, finden manche Internetnutzer

24.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Berlin (DK) "Wir alle trauern mit schwerem Herzen, um all die, die nie mehr zu ihren Familien zurückkehren werden", spricht Angela Merkel den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus, erinnert an "neun Menschen, die am Freitagabend noch ihre Einkäufe erledigen oder noch rasch etwas essen wollten" und dann von den Kugeln eines einzelnen Täters tödlich getroffen worden seien. "Wir teilen Ihren Schmerz.

Wir denken an Sie. Wir leiden mit Ihnen", versucht die Kanzlerin zu trösten. Am Tag nach dem Amoklauf von München spürt man auch bei der Regierungschefin die Betroffenheit. "So ein Abend, so eine Nacht des Schreckens sind schwer zu ertragen, für jeden von uns", sagt Merkel. Der Schock wirkt auch im politischen Berlin noch nach. Gut fünf Minuten lang dauert ihre Erklärung. Mitgefühl und Trauer, aber auch Lob und Dank für "die großartigen Sicherheitskräfte", die "hochprofessionell" gearbeitet hätten und auch für die Hilfe und Solidarität vieler Münchener. "Sie haben damit gezeigt, wie wir in einer freien und mitmenschlichen Gesellschaft zusammenleben", lobt Merkel und versichert: "Wir werden herausfinden, was genau hinter dieser Tat von München stand."

Samstagmittag kam in Berlin das Sicherheitskabinett zusammen. Die Kanzlerin war wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und andere Kabinettsmitglieder aus dem gerade erst angetretenen Urlaub nach Berlin zurückgekehrt. Krisenmanagement im Kanzleramt. De Maizière und Vertreter der Sicherheitsbehörden, die ständig im Kontakt mit den Münchener Kollegen stehen, informierten über die jüngsten Erkenntnisse.

Erst die Terror-Amokfahrt mit mehr als 80 Opfern in Nizza, dann der blutige Axtangriff bei Würzburg, jetzt die schreckliche Tat eines Einzelnen in München - die Serie der Gewalt scheint nicht abzureißen. Stets seien es Orte, "an denen jeder von uns hätte sein können", erklärt die Kanzlerin und zeigt Verständnis für Angst und Unsicherheit, die sich in der Bevölkerung angesichts der Sicherheitslage breit macht. Erst gut zwanzig Stunden nach dem Amoklauf von München tritt Merkel vor die Kameras, hatte zunächst abgewartet, wollte mehr Klarheit über die Hintergründe der blutigen Tat haben, die von der Polizei zunächst wie ein Terroranschlag behandelt worden war. Als am Morgen danach deutlich wird, dass es offenbar keinen Bezug zum islamistischen Terror gibt, es der Amoklauf eines Einzelnen war und die Münchener Polizei zunächst eine Art Entwarnung gibt, wird in Regierungskreisen Erleichterung spürbar. Dennoch: Nach Erfurt und Winnenden erlebt Deutschland den dritten blutigen Amoklauf eines Schülers. Was tun gegen diese Bedrohung und Gewalt?

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) forderte Konsequenzen: "Die Waffenkontrolle ist ein wichtiger Punkt. Wir müssen weiter alles tun, um den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren", sagte er. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will die rechtlichen Grundlagen dafür schaffen, dass "in extremen Situationen", etwa bei Terroranschlägen, auch auf die Bundeswehr zurückgegriffen werden kann. Nicht nur in der Opposition, auch in den Reihen der Union stößt eine Aufhebung von innerer und äußerer Sicherheit und der Einsatz der Bundeswehr auch im Innern auf Ablehnung.

Die späte Reaktion der Kanzlerin stieß vor allem in den Sozialen Netzwerken auf Kritik. Unter dem Hashtag "#merkelschweigt" etwa zeigten bei Twitter viele kein Verständnis dafür, dass sich die Regierungschefin nicht bereits am Freitag zu der blutigen Gewalttat in München geäußert hatte. Als erster hatte am Freitagabend US-Präsident Barack Obama reagiert, Trost und Anteilnahme für die Angehörigen gespendet und den Deutschen amerikanischen Beistand zugesichert.