Augsburg
Eine Online-Bewertung und ihre Folgen

25.06.2014 | Stand 02.12.2020, 22:32 Uhr

Vor Gericht: Thomas Allrutz (rechts) soll wegen einer negativen Amazon-Bewertung mehrere zehntausend Euro zahlen. Unser Bild zeigt den Beklagten mit seinem Rechtsanwalt. Auf dem Tisch liegt ein Stück des Fliegengitters, um das es geht - Foto: Wenisch

Augsburg (DK) 22,51 Euro hat Thomas Allrutz aus Großaitingen bei Augsburg für ein Fliegengitter bezahlt – doch dann verlangte der Verkäufer von ihm mehrere zehntausend Euro, weil er eine negative Bewertung bei Amazon abgegeben hatte. Gestern war Gerichtstermin.

Im sogenannten Fliegengitter-Fall ist eine gütliche Einigung vor dem Landgericht Augsburg gescheitert. Der Beklagte Thomas Allrutz lehnte ein Vergleichsangebot des Online-Händlers aus Baden-Württemberg ab und erneuerte seine Vorwürfe gegen den Kläger. Dieser hatte angeboten, die Klage gegen eine Zahlung von 25 000 bis 30 000 Euro zurückzuziehen.

Bei der Auseinandersetzung geht es um eine negative Bewertung im Online-Versandhaus Amazon, die Allrutz nach dem Kauf des Fliegengitters über den Händler verfasst hatte. Sein Mandant habe dadurch erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen, unter anderem weil sein Amazon-Konto gesperrt worden sei, sagte Anwalt Jan Morgenstern. Die bisherigen Kosten bezifferte er vor Gericht auf 38 000 Euro. Hinzu kommen künftige Umsatzeinbußen und ein Unterlassungsanspruch.

Insgesamt geht es in der Verhandlung um etwa 70 000 Euro. Das Fliegengitter hatte gerade einmal 22,51 Euro gekostet. Der Fall hatte deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Das Urteil könnte Signalwirkung für künftige Auseinandersetzungen über Online-Bewertungen haben.

Im Mittelpunkt der Hauptverhandlung stand gestern eine Passage, in der Allrutz schrieb, dass die Anleitung fehlerhaft sei. „Davon sind wir überzeugt und erkennen den Schadensersatzanspruch daher nicht an“, sagte Allrutz’ Anwalt Alexander Meyer. Das Vergleichsangebot der Gegenseite bezeichnete er als absurd. Morgenstern argumentierte dagegen, jeder dürfe seine Meinung äußern. Bei der Bewertung handle es sich aber nicht um eine Meinung, sondern um eine falsche Tatsachenbehauptung.

Unterschiedliche Interpretationen gab es darüber, welche Partei den Beweis für ihren Standpunkt antreten muss. Richter Rolf Weigell signalisierte, dass er den Kläger in der Pflicht sieht. Bisher habe er noch keinen Beweis gesehen, der belege, dass die Bewertung falsch sei. Anwalt Morgenstern brachte daher ein Gutachten eines Sachverständigen ins Spiel.

Meyer deutete das Verhalten des Richters als positives Signal. „Wenn das Gericht dazu tendieren würde, dem Kläger recht zu geben, dann hätte es uns wohl deutliche Hinweise gegeben, den Vergleich lieber anzunehmen. Zudem wären sonst vermutlich wir aufgefordert worden, zu beweisen, dass die Anleitung falsch ist.“ Dazu seien er und sein Mandant notfalls aber in der Lage. Allrutz selbst zeigte sich nach dem ersten Verhandlungstag ebenfalls vorsichtig optimistisch. Er betonte, dass er handwerklich sehr geschickt sei und ein Haus, das er im Rohbau gekauft hatte, selbst ausgebaut habe. „Daran liegt es also nicht. Jeder, der versucht das Gitter nach der Anleitung zu montieren, wird feststellen, dass sie falsch ist“, sagte er.

Für den Kläger geht es laut Morgenstern um mehr als nur um diesen konkreten Fall: „Wir wollen zeigen, was für ein großer menschlicher und wirtschaftlicher Schaden durch eine einfache falsche Behauptung im Internet entstehen kann.“ Die Menschen müssten sich dies vor Augen führen, bevor sie online solche Bewertungen abgäben. Diesen Schaden müsse Allrutz ersetzen.

Eine Entscheidung könnte am nächsten Verhandlungstag am 30. Juli fallen. Für Allrutz bedeutet das einen weiteren Monat mit höchster Anspannung: „Die schlaflosen Nächte hören sicher nicht auf, bis die Sache abgeschlossen ist“, sagte er.