Waidhofen
"Das ist ein Rekord, der steht"

Waldemar Hartmann am Tag nach der Jauch-Sendung in Waidhofen

24.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:23 Uhr

Waldemar Hartmann am Freitagabend in Waidhofen. Den Schnauzer trägt er im Zuge der Kampagne Movember, die für Prostata-Prävention wirbt - Foto: Petry

Waidhofen (SZ) Am Tag danach war er in Waidhofen. Ein wenig angespannt wirkte Waldemar Hartmann Freitagabend dann doch, angesichts des Tsunamis, der über ihn hereinbrach, weil er am Donnerstagabend bei RTL eine Quizfrage falsch beantwortet hatte. Zu groß war die Wucht der allgemeinen Wahrnehmung, als dass man so etwas vollständig abschütteln könnte. Naja, und es war ja auch eine Frage, auf die man die Antwort hätte wissen können, zumal als Fußballexperte.

Die ,Bild’ schrieb, sein Aussetzer sei die größte Blamage der Fernsehgeschichte gewesen, sagt Hartmann. Er macht daraus dies: „Das ist ein Rekord, der steht.“ Drei Wochen war die Aufzeichnung für „Wer wird Millionär“ vorbei, Zeit genug, sich ein paar flotte Sprüche auszudenken, um aus der Nummer halbwegs rauszukommen.

In Waidhofen dreht sich die erste halbe Stunde alles nur um die Sendung, den Faux-Pas, die Blamage, den Aussetzer. Als ihm sein Irrtum damals, in Sindelfingen, bewusst wurde – Sekunden nach dem Telefonat mit Günther Jauch –, da habe er „einen Blutsturz und Schockatmung in einem“ gehabt. Als er sich wieder erholt hatte, war ihm zunächst dies wichtig: „Habe ich Lena Gercke die Summe kaputt gemacht“ Hatte er nicht, und da war alles schon wieder halb so schlimm.

Die Lesung in Waidhofen im Gasthaus Bogenrieder war seit Wochen ausverkauft. In vielen Städten und Gemeinden ist Hartmann zurzeit unterwegs, um für sein Buch „Dritte Halbzeit“ zu werben. In Waidhofen sieht die Lesung so aus, dass er nicht ein einziges Mal reinschaut ins Buch. Die 100 Gäste im Saal hängen umso mehr wie gebannt an seinen Lippen.

Über 30 Jahren im Fußballgeschäft, als Journalist eher am Rande, und irgendwie doch mittendrin – dass er inzwischen raus ist, findet er nicht nur schlecht. „Ich bin froh, dass ich nicht mehr am Spielfeldrand stehen muss, um mir die immer gleichen Sätze kurz behoster Millionäre anzuhören, die mir erzählen, dass sie die Leistung nicht abrufen könnten“, sagt er. Dass die sich überhaupt trauen, so etwas zu sagen! Hartmann: „Wenn ein Chirurg seine Leistung nicht abruft . . .“

Sein Fußball, der war anders. „Mir fehlen heute die Typen“, sagt er, und erzählt von denen, die welche waren. Vor- oder Spitznamen reichen. Der Mario, der Lothar, der Jens, der Uli, der Rudi, der Effe, der Hennes, der Calli („Der sitzt nicht, der liegt“), und natürlich der Franz. Von dem kann man übrigens lernen, wie man Missgeschicke elegant los wird. Wie war das nach dem Seitensprung? Der liebe Gott liebt alle seine Kinder. Und was hatte Hartmann eingangs gesagt? „Ein Rekord, der steht“. So geht das.

Hartmann hat viele Geschichten über diese Herren zu erzählen, das tut er mit dieser so vertrauten Mimik, hundertmal im Fernsehen gesehen. Das fühlt sich zwar manchmal an wie Stammtischgeplauder – es geht viel um Kumpaneien, Nachtclubbesuchen, Saufen, Wetten, Männerehre –, ist es aber nicht. Hartmann denkt gar nicht daran, politisch korrekt zu sein, und das macht er offensichtlich mit voller Absicht. Die politisch korrekten Fragezeichen über den Köpfen einiger seiner Zuschauer fegt er mit diesem Satz vom Tisch: „Alkohol löst keine Probleme, Cola aber auch nicht.“ Hartmann probiert hier, seinen Zuhörern sein Lebensgefühl von damals begreifbar zu machen. Und davon ist so viel nicht geblieben, in einer Welt, in der heute jeder so kontrolliert sein muss, in der man nicht mehr leicht über die Stränge schlagen darf.

Ja, die Zeit der großen Typen im Fußball klingen wie aus einer anderen Welt. War sie auch. Damals, erzählt Hartmann, ging man zum Telefonieren in Telefonzellen. Mit Türen. Um sie hinter sich zuzumachen. Und heute, in der Handy-Ära? Alles ist ganz anders. Die kleine Philosophiestunde mit Waldemar Hartmann macht Spaß. Ist witzig. Und schnell vorbei.

So geht dann am Ende eines für ihn ziemlich harten Tages auch Waldemar Hartmann grinsend nach Hause. Gute Nerven hat er ja, wie er selbst sagt: nach über 30 Jahren ARD.