Schrobenhausen
Viele Planungen verliefen im Sande

Vor 50 Jahren wurde die Zentralkläranlage in Schrobenhausen in Betrieb genommen

20.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr
Aus dreckiger Brühe wird hier wieder sauberes Wasser gemacht: Seit 50 Jahren läuft die Zentralkläranlage der Stadtwerke Schrobenhausen an der Hanfröste Tag und Nacht. Etliche Teile der ursprünglichen Anlage bestehen noch, aber vieles ist in der Vergangenheit auch schon erweitert und erneuert worden. −Foto: Haßfurter

Schrobenhausen (SZ) Nach dem Toilettengang auf die Taste drücke, Wasser aus der Leitung spült die Hinterlassenschaft weg und unterirdisch in die Kläranlage – vor 50 Jahren war das in Schrobenhausen keine Selbstverständlichkeit. Im Sommer 1967 ging die Zentralkläranlage der Stadtwerke in Betrieb.

„Da ist die Kläranlage älter als ich“, sagt Norbert Moser und lacht. Seit genau 30 Jahren arbeitet der Schrobenhausener an der Hanfröste in der Kläranlage der Stadtwerke. Seit 1995 ist er der Chef der Truppe, die sich darum kümmert, dass täglich aus den Abwässern der Schrobenhausener und Aresinger wieder sauberes Wasser wird.

Schon vor 50 Jahren wurden öffentliche Bauten teurer als geplant. Der Neubau der Kläranlage in Schrobenhausen war ursprünglich für 3,1 Millionen D-Mark geplant, wie bei der Eröffnung der Anlage amtierender Bürgermeister Sigmund Boniberger erklärte. Zwei Jahre nach Beginn der Bauarbeiten hatte die Stadt abgerechnet und insgesamt 3,8 Millionen D-Mark für die Abwasserbeseitigung investiert. Doch der Weg dahin war lang, wie der Blick ins Schrobenhausener Stadtarchiv zeigt. Dort hat Monika Schierl recherchiert.

Die Erkenntnis, dass die hygienischen Zustände in Schrobenhausen nicht die besten seien, und dass sie wohl auch zu Krankheiten führten, existierten schon früh in Schrobenhausen. Wie Schierl berichtet, grassierte im Winter 1842/43 das Nervenfieber in der Stadt und forderte immer mehr Todesopfer. Der damalige Landgerichtsarzt Dr. Hug, so Schierl, hatte die unhaltbaren hygienischen Zustände in den Nebenstraßen der Innenstadt dafür verantwortlich gemacht, durch die die Luft verpestet würde. Hug ermahnte damals den Stadtrat, „den Kot und die Wasserpfützen bei Tauwetter auf die Seite zu räumen, die Abzugskanäle zu reinigen, die Entleerung der überfüllten Düngerstätten anzubefehlen und für gutes Trinkwasser und gesunde Wohnung zu sorgen.“ Die Misthaufen wurden also von der Straße verbannt, die Wege teilweise erhöht und seitlich kleine Abzugsgräben angebracht oder bereits bestehende Gräben vom Dreck befreit.

Einige Jahre später, so Schierl weiter, wurden sechs Frauen im Sommer 1859 zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie wollten ihre aushängbaren Fensterscheiben und Küchengeräte waschen. Weil aber der Stadtbach in der Mitte der Stadt, der zur Beseitigung des Schmutzwassers diente, kein Wasser führte, hatten sie sich kurzerhand mehrere Brunnen in der Stadt ausgesucht, um die Fenster auf Hochglanz zu bekommen. Offenbar hatte die Frauen laut Schierl nicht daran gedacht, dass das Trinkwasser so verunreinigt wurde.

Schierl hat im Stadtarchiv herausgefunden, dass die Beseitigung des Abwassers in Schrobenhausen im 19. Jahrhundert in den Kinderschuhen steckte. Über Jahrhunderte wurden demnach Schmutz- und Regenwasser durch diverse Gräben in und um die Stadt herum abgeleitet. Um 1888 ließ die Stadt eine erste umfangreichere Kanalisation errichten, die die Abwässer in den Graben des Stadtwalls leitete. Nach Schierls Erkenntnissen habe es dabei aber kein durchdachtes Konzept gegeben. Die Zementrohrkanäle seien je nach örtlichen Bedingungen ohne ein nennenswertes Gefälle eingegraben worden, was zu neuen Problemen führte.

Die ersten Schritte zu einer neuen Kanalisation mit einer Kläranlage wurden wohl schon 1910 gemacht. Ein Fachmann aus Darmstadt sollte die Pläne entwickeln, so Schierl weiter. Das zog sich hin. Die Kläranlage sollte im Nordosten der Stadt entstehen. „Nach einer ersten Reinigung dort sollte das Wasser zur Nachklärung in vier Fischteiche geleitet werden“, erklärt Schierl. Aber die Pläne verliefen im Sande über die Frage: Wie bekam man die Abwässer über das weit verzweigte Rohrsystem bis zur Kläranlage?

Es sollte bis 1942 dauern, bis die Pläne wieder aufgegriffen wurden. Wie Schierl herausfand, habe ein Gutachter damals die unhaltbaren Zustände am Stadtgraben so beschrieben: Der Graben führe „schwimmende Flocken faulenden Schlammes und stinkt stark (daher auch Mückenplage)“, darin liefen „Metzgerei-Abwässer und Jauche“ am östlichen Tor über das Straßenpflaster. „An der West-Ecke des Friedhofes steht ständig fauliges und jauchiges Wasser im Straßengraben“, zitiert Schierl. Wieder zogen sich die Planungen hin.

Erst im Juli 1960 wurde die Abwasserbeseitigung durch die Stadt an einen Eigenbetrieb – die späteren Stadtwerke – ausgegliedert. Drei Jahre später wurde der Beschluss gefasst, in Schrobenhausen eine Kläranlage zu bauen. Von 1965 bis 1967 wurde sie für 14 500 Einwohnergleichwerte ausgerichtet. Von 1980 bis 1981 gab es den ersten großen Umbau und eine Erweiterung der Anlage, seither wurde sie stets modernisiert, wie Norbert Moser weiß. Aber er ist stolz auf die Grundsubstanz der Anlage. Vorklärnecken, Belebungsbecken, ein Zwischenklärbecken sowie das Zulaufhebewerk stammten noch aus den ersten Jahren der Kläranlage an der Hanfröste. „Ich hoffe, dass die Substanz noch sehr lange hält“, sagt Moser. Dank immer moderner werdender Technik sei die Reinigungsleistung von einst 87 Prozent auf inzwischen 97 Prozent gestiegen.

TAG DER OFFENEN TÜR ZUM JUBILÄUM

Den 50. Geburtstag der Zentralkläranlage wollen die Stadtwerke nicht ganz ungefeiert vorüberziehen lassen. Am Sonntag, 17. September, ist nach Angaben von Stadtwerke-Vorstand Thomas Scheinder an der Hanfröste ein Tag der offenen Tür geplant. Darüber hinaus werden die Stadtwerke an dem Tag auch den Neubau ihres Verwaltungsgebäudes an der Carl-Poellath-Straße einweihen. | jsp