Schrobenhausen
Eine Heldentat

Tanklastzugfahrer bringt sein brennendes Fahrzeug aus der Stadt

17.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr
Der Fahrer des Lastzugs: Jürgen Heim. −Foto: Spindler

Schrobenhausen (SZ) Was muss das für ein Gefühl sein, wenn man einen brennenden Tanklastzug durch die Vorstadt fährt? Jürgen Heim hat gestern Mittag eine Nummer abgezogen, die man sonst bestenfalls von Bruce Willis aus dem Kino kennt.

Es ist gegen 13.45 Uhr, als der 50-jährige Fernfahrer beim Blick in den Rückspiegel das Feuer an seinem Fahrzeug bemerkt. Was tun? Rausspringen und weglaufen - und das mitten in der Stadt, mit 30 000 Litern Treibstoff an Bord? Er denkt gar nicht daran. Für Heim gibt es nur eine Alternative: Er setzt einen Notruf ab und lässt sich ganz ruhig vom Gewerbegebiet an der Augsburger Straße in Schrobenhausen durch die Vorstadt lotsen: "Der Mann vom Notruf hat ganz beruhigend auf mich gewirkt", wird Heim später sagen. Während er die Gerolsbacher Straße Richtung Aresing unterwegs ist, sieht er Rauch und Flammen unter seinem Fahrzeug. Die Alufelgen des Lastzuges beginnen zu schmelzen, überall auf der Straße liegen brennende Reifenfetzen. Klar, dass Heim in diesem Augenblick mit seinem Leben spielt, um womöglich viele andere Leben zu retten.

Was, wenn das Ding hochgeht? Direkt an der Vorstadtkirche? Kann überhaupt was hochgehen? Die brennbare Ladung ist natürlich gut geschützt. Heim bleibt kühl, verlässt das Schrobenhausener Stadtgebiet, fährt noch ein paar Hundert Meter weiter, dann stellt er den Lkw mitten auf der Straße ab und schaut, dass er wegkommt. Geschafft!

Binnen Minuten setzen die Flammen ein Stoppelfeld nebenan in Brand. Schrobenhausens Kommandant Robert Ottillinger erreicht die Unfallstelle, sofort ist ihm klar: alles weiträumig absperren. Der Großeinsatz für die ehrenamtlichen Schrobenhausener Einsatzkräfte und die Wehren aus der Umgebung beginnt. Wie nähert man sich einem brennenden Tanklastzug? Und wer?

Es ist 14.15 Uhr als das erste Tanklöschfahrzeug vorrückt. Vorsichtig. Rainer Nowak, draußen am Wasserwerfer auf dem Fahrzeug ist von einem hitzefesten Anzug geschützt. Er wird von seinen Kollegen Matthias Schenk und Daniel Goebel begleitet. Ottillinger: "Zum ersten Mal habe ich den Moment erlebt, dass ich meine Leute so bewusst in eine große Gefahr geschickt habe." Ottillinger treibt die Frage um, ob der Tank, unter dem das Feuer lodert, hält: "Das ist wie ein Schnellkochtopf - nur ohne Ventil, durch das der Druck abströmen kann." Es gelingt den Feuerwehrleuten, das Fahrzeug zumindest zu kühlen. Das Stoppelfeld wird aufgegeben.

Derweil stecken die Leute von der Einsatzleitung die Köpfe zusammen. Die Plattensiedlung ist abgeriegelt, auch von Aresing her kommt keiner durch. Die Bewohner verhalten sich vorbildlich, lobt später die Einsatzleitung. Es gibt Getränke und kleine Häppchen für die Einsatzkräfte, überall offene Türen, niemand steht störend im Weg herum.

Kurz nach 15 Uhr sickert allmählich durch, wie es weitergehen soll: Wenn es gelingt, das Feuer in den Griff zu bekommen, soll ein zweiter Tanklastzug zum havarierten Fahrzeug gebracht werden, und die Ladung abpumpen. 10 000 Liter Benzin und 22 000 Liter Diesel. Klar ist: Die Straße wird sobald nicht wieder für den Verkehr freigegeben, wahrscheinlich erst am Dienstag im Laufe des Tages, so Andreas Aichele vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord.

Davor gilt es aber ein weiteres Problem zu lösen: Unter dem Lastzug brennt es immer noch. Zu gefährlich für die Feuerwehrleute, so nah vorzurücken. Unbemannte Löschgeräte werden angefordert, sogenannte Monitore. Das klappt. Um 16.40 Uhr ist das Feuer aus. Die Feuerwehr registriert eine Temperatur von 80 Grad in den Tanks - jetzt sollte eigentlich nichts mehr passieren. Der zweite Tanklastzug ist unterwegs; das Umpumpen der Ladung wird sich einen Großteil der Nacht über hinziehen.

Abgesehen von einem angebrannten Feld und einem beschädigten Lastwagen ist alles gut gegangen. Weil ein Lkw-Fahrer an diesem Tag zum Helden wurde. Und weil die örtlichen Einsatzkräfte von Feuerwehr, BRK und Polizei einmal mehr perfekt Hand in Hand gearbeitet haben. Einige von ihnen haben dabei womöglich ihr Leben riskiert.