Schrobenhausen
Der große Frust

Erste Auflösungserscheinungen bei den Helferkreisen weil sie an der Gesetzgebung scheitern

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:26 Uhr

Still liegt es da, das Containerdorf neben dem Grillenberg; in Schlafsälen leben hier seit Monaten Flüchtlinge, die auf ein besseres Leben hoffen. Sie bekommen viel Unterstützung durch die Helferkreise - aber die stoßen bei ihrem Engagement immer wieder an die Grenzen der Bürokratie. - Foto: M. Schalk

Schrobenhausen (SZ) Krisenstimmung bei den Schrobenhausener Helferkreisen: Weil sie an bürokratischen Vorgaben scheitern, erleben Ehrenamtliche wieder und wieder, dass sie umsonst um die Zukunft eines Flüchtlings gekämpft haben. Jetzt schlägt auch die Stadt Alarm.

Bürgermeister Karlheinz Stephan macht sich selbst zum Anwalt der Ehrenamtlichen. "Sie versuchen, den Flüchtlingen Wohnungen zu besorgen, was sehr schwierig ist, und wenn sie kurz vorm Ziel stehen, scheitert es oft an ein paar Quadratmetern, weil die Wohnungen nur bis zu einer bestimmten Größe bezuschusst werden." Oder: "Da gelingt es, einen Asylbewerber in Arbeit zu bringen, und dann zieht sich das Verfahren ewig hin - aber die Arbeitgeber sagen: Ich brauch jetzt jemanden, und nicht in sechs Wochen." Die Folgen dieser Situation hat Stephan zuletzt in Gesprächen wieder und wieder erlebt: "Das führt zu Frust."

Der städtische Integrationsreferent Harald Reisner (FW) wird noch deutlicher: "Das ist eine extrem mühselige Arbeit, die die Helferkreise hier leisten, sie engagieren sich mit ganzem Herzen." Und wenn man dachte, man habe etwas bewegt, komme die Bürokratie und werfe einem Knüppel zwischen die Beine.

Für Harald Reisner liegt die Lösung des Problems auf der überregionalen Ebene. "Wir müssen schauen, dass wir über höhere Mandatsträger etwas bewegen, um ein Umdenken herbeizuführen." Reisner weiter: "Wir können nur hoffen, dass die ehrenamtlichen Helfer weitermachen." Und er hofft auf die Unterstützung der Bürger, die freien Wohnraum haben. Nicht einfach, weiß er. "Es ist halt so in Schrobenhausen, dass manche das Geld nicht brauchen und ihre Wohnungen leerstehen lassen. Die Vorbehalte sind bekannt, man will sich halt keine Probleme ins Haus holen."

Ziel der Verantwortlichen in der Stadt ist es ganz offensichtlich, weiterhin das Aggressionspotenzial in den Flüchtlingslagern niedrig zu halten, zu deeskalieren. Das geht dann, sagt auch Bürgermeister Stephan, wenn man den Asylbewerbern helfe, wenn man sie nicht alleinlasse. Die Stadt allein könnte das niemals leisten. An einem Teil der Lösung arbeite das Rathaus nach wie vor: Die Bestrebungen, Sozialwohnungen zu bauen, seien da; die Tücke liege im Detail; ehe neben dem Grillenberg gebaut werden könne, seien noch einige Fragen zu klären, sagt er.

Es gibt nach wie vor überall Probleme. Auf der städtischen Sportanlage sind jetzt Flüchtlinge, die dort seit langer Zeit Cricket spielen, in ein Eck vertrieben worden, das sich für den Sport nicht eignet. Harald Reisner kennt auch dieses Thema; er versucht, zu vermitteln. Alles nicht so einfach, im Kleinen wie im Großen.

Wenn Reinhold Hautmann mit dem Thema konfrontiert wird, muss er erst einmal tief durchschnaufen. Er leitet den Helferkreis, der die Flüchtlinge in Arbeit bringen soll. "Wir waren schon so weit, dass tagsüber in der alten Grundschule kaum noch ein Bewohner war", erzählt er. Entweder seien die Leute in Kursen gewesen, oder sie hätten gearbeitet, in der Landwirtschaft, bei der Autoaufbereitung und, und, und. Inzwischen seien Pakistani, Afghanen, Nigerianer und Senegalesen so gut wie komplett abgelehnt, berichtet Hautmann, und damit bekommen sie die Genehmigung nicht mehr. "Menschen, die in Arbeit waren!", ärgert er sich, "mit so viel Aufwand durch den Helferkreis." Was Hautmann zurzeit immer wieder beobachtet: dass Asylbewerber sich in Schrobenhausen aus dem Staub machen, versuchen, in Nachbarländern an Papiere zu kommen und dann den Weg zurück suchen - für ihn ein Zeichen, dass die bürokratischen Vorgaben noch deutlich verbesserungsfähig wären.

Joachim Siegl vom Verein "Offene Türen - internationaler Treff" stört sich an einem bayerischen Sonderweg im Umgang mit dem Integrationsgesetz, der aus seiner Sicht erschwere, dass Flüchtlinge eine begonnene Ausbildung zu Ende führen können. Die sogenannte 3+2-Regelung werde hier gezielt umgangen, findet er. Er habe den Eindruck, die Ausländerbehörden in Bayern würden reichlich willkürlich agieren.

Harald Reisner sagt: "Die Rechtslage, die wir haben, ist nicht kompatibel mit dem, was durch die Flüchtlinge auf uns zukommt." Der Staat stehe sich da selbst im Weg. Dabei sei es immens wichtig, die Menschen in den Unterkünften in Arbeit zu bringen. "Da müssen ja irgendwann Aggressionen aufkommen, wenn man über viele Monate in Großraumzimmern in Containern lebt."