Langenmosen
Lack und Microballons fürs künftige Rekordauto

Mit Hilfe aus Langenmosen und Karlshuld bauen Münchner Studenten ein Energieeffizienzfahrzeug

05.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:21 Uhr

Foto: Andrea Hammerl

Langenmosen (ahl) Norbert Müller hat am Montagabend mal wieder ehrenamtlich Überstunden gemacht und seinen Feierabend in der Lackierhalle verbracht. Dort hat er mit seinem Team von 18 Uhr bis fast Mitternacht ein futuristisch anmutendes Gefährt farblich aufgepeppt. Aus Langenmosen stammt also der schicke blaue Lack, mit dem muc017 ab Juni bei internationalen Wettbewerben auf Rekordjagd gehen wird.

muc017 ist weder eine geheimnisvolle Zellkultur noch ein dienstbarer Haushaltsroboter, sondern der Prototyp eines Energieeffizienz-Autos. Entwickelt und gebaut hat ihn das Eco-Team des studentischen Vereins TUfast von der Pike auf neu. Die Studenten der Technischen Universität München gehen mit muc017 neue Wege. Sie wechselten die Wettbewerbskategorie und starten nun in der Klasse "Urban Concept", in der es darum geht, für den Stadtverkehr taugliche Ökoautos zu entwickeln. Was den Namen muc erklärt - er steht für Münchner Urban Concept (und ganz nebenbei in der Touristik für den bei Flughäfen gebräuchlichen Code für München).

muc017 ist drei Meter lang, 1,2 Meter breit und 100 Kilogramm schwer, wiegt somit viermal so viel wie eLi16, mit dem das Vorjahresteam unterwegs war. Entgegen dem Grundsatz "Never change a winning team" waren explizit die Erfolge der Vorgänger der Grund für den Wechsel. "2015 hatte das damalige Eco-Team alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, 2016 war es dann nicht ganz so gut, und die Jungen wollten etwas Neues machen", erklärt Technischer Leiter Alexander Hammerl (23), der aus Karlshuld stammt. Hinter "nicht so gut" verbergen sich immerhin ein Sieg im Wettbewerb EducEco in Valenciennes, als eLi16 mit einer Kilowattstunde Strom 1400 Kilometer weit fuhr, und ein dritter Platz im Shell Eco-marathon Europe in London. Kein Vergleich natürlich zum Modell eLi15, das 2015 fünf Wettbewerbe gewann, oder zu eLi14, das sogar einen Guinness-Weltrekord aufstellte. Der besteht übrigens immer noch.

Seit 2012 unterstützt Müller das Team, keiner der damals beteiligten Studenten ist noch aktiv. Dazu gekommen ist der Langenmosener wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind. "Die sammelten damals für das Projekt in einem Ingolstädter Baumarkt", erzählt der 51-Jährige. Als ihm "ein Klingelbeutel" unter die Nase gehalten wurde, sagte er: "Geld hab ich nicht, aber ich kann was für euch machen." Ein Glücksfall für TUfast, denn seitdem unterstützt der Inhaber des Langenmosener Unternehmens Lackiertechnik Müller nicht nur das Eco-, sondern auch das Racing-Team, das sogar zwei Prototypen jedes Jahr baut. Ob es ums Lackieren oder Bekleben geht - er ist ein gefragter Mann. "Bekleben sieht so einfach aus, ist es aber nicht", weiß Gabi Müller, die die Begeisterung ihres Mannes für seinen Beruf teilt. Müllers sind Spezialisten, keine übliche Lackiererei. "Wir fangen da an, wo andere aufhören", bringt sie es auf den Punkt. Prototypen und Sonderanfertigungen aller Art, vom Bundeswehrflieger bis zum Bulldog, liefern ihrem Mann die Herausforderung, die er sucht. "Er ist jetzt in dem Alter, in dem er gerne sein Wissen weitergibt", erklärt sie sein ehrenamtliches Engagement.

Am längsten dauert das sorgfältige Abkleben der Karosserieteile, die unlackiert bleiben und die nackte Karbon-Oberfläche zeigen sollen. Sie wird nur geschliffen und geölt. Der Lack dient nicht nur der Optik, sondern auch der Aerodynamik, weil die Oberfläche glatter wird. Müller hat sich für konventionellen Lack entschieden, weil der schneller trocknet und es natürlich wieder einmal pressiert. Deshalb auch die halbe Nachtschicht. Was der Lackierermeister gewöhnt ist. Etliche Male ist er abends nach München gefahren und hat dort beim Bekleben geholfen. "Die Jungs stehen ja immer unter Zeitdruck", sagt er, "wenn ich nachts arbeite, können sie tagsüber noch daran feilen."

Und wenn er "die Jungs" sagt, dann klingt es ein wenig wie "meine Jungs", ein bisschen stolz und vor allem sehr nach dem Herzblut, das er genau wie "die Jungs" investiert. Was eine kleine Unschärfe ist, denn es gibt auch vier Mädels im 45-köpfigen Eco-Team. Dem hat es mal wieder pressiert. Montagabend sind Alex Hammerl und Johannes Zimmerer, zuständig für Anbauteile im Chassis, mit dem Transporter und muc017 zum Lackieren nach Langenmosen gekommen, am Dienstag ging es zurück nach München, wo muc017 gestern Abend feierlich im MGV-Museum vorgestellt wurde - den Sponsoren, die vorwiegend, aber nicht nur aus Deutschland kommen, sondern beispielsweise auch aus Texas. Und den Eltern, die auch ein bisschen sponsern, denn Gerüchte sagen, wer sich ehrenamtlich bei TUfast engagiere, der studiere mindestens ein Semester länger. "Das könnte stimmen", meint Johannes Zimmerer grinsend.

Bis zum Start im Juni in Paris ist noch viel zu tun. Zunächst muss muc017 wieder zurück nach Langenmosen, damit Müller Kanten und Übergänge verspachteln kann, die die Windschnittigkeit beeinträchtigen könnten. Dafür verwendet er eine spezielle Spachtelmasse, der er sogenannte Microballons, synthetisch hergestellte hohle Kugeln, beimischt, damit sie leichter wird. "Die Jungs wollen nicht, dass wir Gewicht auftragen", erklärt er, aber kleinere Unebenheiten müssen nun mal weg.