Pfaffenhofen
Gleichmäßig gute Spannung

Eon Bayern reitet auf der Energiewende-Welle mit, aber kennt auch die Kehrseite der Medaille

20.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:35 Uhr

Bei strahlendem Sonnenschein fachsimpeln Christian Nagel (links) und Johann Blank von Eon Bayern über die Zukunft der Energieversorgung im Freistaat. Der Boom bei den Fotovoltaikanlagen ist für den Versorger gleichzeitig eine Chance, aber auch eine große technische Herausforderung - Foto: Ermert

Pfaffenhofen (PK) Bayern ist Fotovoltaik-Land. Im Freistaat wird mehr Sonnenstrom produziert als in den USA. Die Energiewende ist auf dem Vormarsch – und Eon Bayern ist mittendrin. Beim Pressegespräch im Netzcenter Pfaffenhofen wurde aber auch deutlich, welche Herausforderungen warten.

Die Fakten sind beeindruckend. 205 000 Fotovoltaikanlagen speisen ihren erzeugten Strom ins Leitungsnetz des bayerischen Versorgers ein. „Das sind 4300 Megawatt – und das übersteigt die installierte Leistung der Vereinigten Staaten bei weitem“, bilanziert Christian Nagel, Mitglied der Eon-Geschäftsleitung. „Das ist ein Zehntel des Weltmarkts.“ Was den Sonnenstrom betrifft, hat er noch mehr Überraschendes in Petto. Ein weiteres Zehntel der weltweiten Sonnenstrom-Produktion ist im Freistaat angesiedelt, nur außerhalb des Eon-Netzes. Wer den Blick auf Deutschland richtet, kommt auf einen sagenhaften Anteil von 50 Prozent am Weltmarkt. „Und das in einem Land, das nicht gerade immer von strahlender Sonne verwöhnt ist“, ergänzt Nagel.

Fakten, die natürlich Fragen aufwerfen – und nicht zuletzt auch einige Probleme. Da wäre das Thema sinkende Einspeisevergütung, die seit Anfang April die Zahl der neu installierten Anlagen nach unten korrigiert hat. „Über 40 000 PV-Anlagen waren es in den vergangenen Jahren. Jetzt gibt es erst mal eine Delle“, räumt Johann Blank, Leiter Netzbetrieb Oberbayern Nord, ein. Vermutlich handle es sich aber um einen Einbruch auf Zeit. „Der Preis für die Module gleicht sich ständig an die sinkende Vergütung an. Das wird wohl auch diesmal wieder so sein.“ Dass die deutschen Hersteller wirtschaftliche Probleme hätten und teilweise sogar auf der Strecke bleiben würden, sei ein negativer Begleitaspekt. „Die haben alle Probleme. Die Produktion wandert mehr und mehr nach China ab.“

Aber auch für den Versorger an sich ist die Energiewende nicht ganz ohne. „Wir sehen die erneuerbaren Energien mehr als große Chance und weniger als Problem“, sagt Nagel. Und trotzdem: Einige Unannehmlichkeiten hält sie für Eon dann doch parat – auch ganz konkrete für das hiesige Netzcenter. Die Investitionen haben sich in diesem Jahr alleine im Landkreis Pfaffenhofen annähernd auf Rekordniveau eingependelt, bei rund vier Millionen Euro (siehe Kasten). Der Löwenanteil fließt in neue Baustrom- und Hausanschlüsse. Aber auch den erneuerbaren Energien ist ein großer Teil vorbehalten – und Nagel kann genau erklären, warum das so ist.

Pfaffenhofen ist das Herzstück der Sonnenstrom-Produktion in Oberbayern. Nur Niederbayern ist in diesem Bereich noch weiter. Die in Spitzenzeiten, also bei strahlendem Sonnenschein, teilweise gewaltige Stromproduktion auf den Dächern der Verbraucher belaste das teilweise 100 Jahre alte Leitungsnetz gehörig, sagt er. „Wir sprechen hier von einer massiven Änderung der Umverteilung – und darauf müssen wir unser Leitungsnetz umrüsten“, erklärt er die hohen Investitionen – und indirekt auch die steigenden Stromkosten.

Sonnenstrom sei nämlich alles andere als eine verlässliche Größe. Phasenweise liege die Produktion auf den Dächern völlig darnieder, um Sekunden später enorm in die Höhe zu schnellen. „Das ist wie mit Adern und Venen. Manchmal sind wir nah am Infarkt, wenn zu viel Strom auf einmal daherkommt“, fügt Nagel an. So gut wie nie werde dieser erzeugte Strom direkt vor Ort verbraucht. Meist müsse er über weite Strecken abtransportiert werden. „Was jahrelang in geringen Mengen nur in eine Richtung geflossen ist, strömt jetzt gelegentlich genau entgegengesetzt zurück – und das massenhaft“, so Nagel. Die Folge seien überlastete Leitungen, Umspannwerke und Trafostationen, die modernisiert, umgerüstet und aufgewertet werden müssen. „Das Feld der Forschung ist derzeit enorm wichtig. Aber wir haben da noch viel vor uns“, ergänzt Blank. Dabei geht es zum einen um regelbare Ortsnetztrafos, zum anderen um die Möglichkeit, den erzeugten Strom über einen längeren Zeitraum zu speichern. „Bei beidem sind wir dran, aber gerade das Speichern wird noch viel Zeit und Geld verschlingen“, ergänzt er. Das größte Problem sei allerdings, aus den schwankenden Strommengen, „gleichmäßig gute Spannung“ herzustellen, die dann auch an die Haushalte geliefert werden könne. „Die vielen Peaks, die Auf und Abs, sie sind das Problem. Auch da müssen wir die Technik auf die Höhe bringen.“

Und noch ein Aspekt, der grübeln lässt: Personell stellen die PV-Anlagen die Eon-Mitarbeiter immer wieder vor Rätsel. Aktuell werden die schier unzähligen Anlagen in über 4000 Tarifen abgerechnet – Tendenz steigend. „Da kommt es einfach auf den Zeitpunkt an, wann die Anlage ans Netz gegangen ist, und auf den jeweiligen Vergütungssatz“, erläutert Blank.

Jede Menge Aufwand also, um zu verwalten, was derzeit in Bayern rund sechs Prozent des erzeugten Stroms ausmacht. In Deutschland sind es sogar nur drei Prozent. Auf die Frage, ob sich der Aufwand denn tatsächlich rechne, kann Nagel nur mit den Schultern zucken. „Nur mit Sonnenstrom werden wir das Land sicher nicht am Laufen halten“, räumt er ein. Dennoch sei es wichtig und unumgänglich, auf diesem Feld weiter zu forschen und „die Energiewende-Welle mitzureiten“. Es führe schlichtweg kein Weg daran vorbei.

Die große Popularität der PV-Anlagen sei allerdings weniger dem Umweltschutz, als vielmehr einem viel pragmatischeren Aspekt zu verdanken: „Da geht es um den Geldbeutel der Landwirte und Hausbesitzer. Es lässt sich halt einfach was damit verdienen.“ Auf der anderen Seite – und auch das verschweigt Nagel nicht – dürfe niemand vergessen, dass die Anhebung der Tarife auch mit den erneuerbaren Energien zusammenhängt. Und auch das spürt jeder auf dem Bankkonto, Monat für Monat sogar.