Den Bock zum Gärtner gemacht

09.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:18 Uhr

Zum Bericht „Löwenzahn“ für Erwachsene/Professor Dr. Achim Bachem gibt einen Einblick in die wissenschaftliche Welt von morgen (PK vom 30. Juni):

Mit ihrem Referenten hat die Sparkasse Pfaffenhofen wohl den Bock zum Gärtner gemacht und einem schamlosen Lobbyisten und Verkäufer von Unwahrheiten ein Forum geboten. Eine Lobeshymne auf die Agro-Gentechnik, nett verpackt in Grüne Gentechnik, danach eine weitere auf die Atomkraft, das böse Wort versteckt in Kernenergie. Dazu brauche ich nach Tschernobyl und Fukushima kein Wort mehr verlieren!

Zwischendurch wird gleich noch das Auftreten des Herrn Professor weichgespült, er sagt zwar Unwahrheiten, aber dafür erfrischend lächelnd. Dabei berichten Studien über den deutschen Agro-Gentechnik-Filz mit enger Verflechtung zwischen Beamten, Wissenschaftlern, Industrievertretern und Lobbyorganisationen – und der Politik entgleiten die Kontrollmöglichkeiten. Bei der Begutachtung und Risikoabschätzung des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen durch die bundesdeutschen Genehmigungsbehörden kann längst nicht mehr von Unabhängigkeit und Transparenz die Rede sein.

Der Realist Professor Bachem ist Mitglied in verschiedenen nationalen und internationalen Aufsichtsratsgremien, Beiräten und Kuratorien der Industrie, der Wirtschaft und Forschungsorganisationen wie man auf seiner Homepage nachlesen kann. Ein Schelm, wer dabei Böses, an Lobbyismus oder gar an viel Geld denkt!

Obwohl 78 Prozent der Bürger laut Forsa-Umfrage gegen Agro-Gentechnik im Essen sind, fließen Millionen Steuergelder in die Ausweitung dieser Technik und werden alle Anträge deutscher Agro-Gentechnikforschung politisch und amtlich unterstützt.

Was ich aber dem heuchlerischen Professor besonders übel nehme, ist seine verlogene und unverschämte Aussage über die hungernde Weltbevölkerung. Agro-Gentechnik hilft nicht gegen Hunger, sondern verstärkt ihn. In den Hauptanbauregionen der Erde (Nord-, Südamerika und Indien) sind Landstriche verwüstet und eine agrogentechnikfreie Landwirtschaft nicht mehr möglich – zum Nachteil der Landwirte. Besonders in Indien haben sich viele Landwirte aus Verzweiflung über die missglückten Agro-Gentechnik-Ernten getötet. Die Inderin Vandana Shiva, Trägerin des alternativen Nobelpreises und Gründerin der Organisation Navdanya, würde sich über die Aussage des launigen Professors wirklich wundern.

Die Wahrheit ist laut Weltagrarbericht: Fast eine Milliarde Menschen hungern auf diesem Planeten, während ebenso viele an krank machender Fettleibigkeit leiden. 2,3 Milliarden Tonnen Getreide wurden 2011 weltweit geerntet, mehr als je zuvor. Doch nur 46 Prozent dieser Ernte dienen als Lebensmittel. Der Rest wird zu Tierfutter, Sprit und Industrierohstoffen verarbeitet. In Kalorien ausgedrückt ernten Landwirte heute weltweit etwa ein Drittel mehr, als für die ausreichende Versorgung aller Menschen notwendig wäre, Tendenz steigend.

Unser Wohlstandssystem ist eine der Ursachen für den Hunger, Klimawandel, das Artensterben, für Umweltvergiftung, Wasserknappheit, vermeidbare Krankheiten, Kriege, Kinderarbeit, Armut und Ungerechtigkeit. Das neue Bio-Zeitalter beginnt mit Streit um das älteste Kulturgut der Menschheit, die Grundlage unserer Ernährung, ihrer Zukunft und Vielfalt – unser Saatgut. Wer es beherrscht, entscheidet, was morgen auf diesem Planeten noch leben und gegessen werden darf.

Der Herr Professor mit der gut verständlichen Sprache ist Mitglied des Forschungs- und Technologierats „Bioökonomie“. Dieser empfiehlt „Die Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen und den Abbau rechtlicher Unsicherheiten etwa im Bereich der Grünen Gentechnik“. Die Agro-Gentechniklobby will endlich an das Saatgut ran und die Bauern unter ihre Knute bringen. Wir setzen uns zur Wehr gerade auch für die Menschen in den armen Ländern und zeigen Flagge mit den Schildern „Agro-Gentechnikfreier Landkreis“.

Christine Janicher-Buska

Pfaffenhofen