"Panzerknacker" flüchten aus Bulgarien

15.02.2008 | Stand 03.12.2020, 6:08 Uhr

Nach einer abenteuerlichen Flucht wieder zu Hause: Thomas Gmeiner vor seinem "Panzer-Lagerplatz" bei Uttenhofen. - Foto: Ermert

Uttenhofen (PK) Zwei Wochen Militärhaft bei Wasser und Brot und eine abenteuerliche Flucht über die berüchtigte "grüne Grenze" nach Mazedonien hat Thomas Gmeiner aus Uttenhofen hinter sich.

"Über die vergangenen zwei Monate könnte ich ein Buch schreiben", sagt Thomas Gmeiner. Der 36-Jährige hat eine Odyssee hinter sich, die er sich wohl selbst nie träumen hat lassen. Obwohl er aufgrund seines Hobbys, schrottreife Panzerüberreste zu sammeln, einiges gewohnt ist. Zusammen mit dem Aichacher Matthäus Mair machte er sich Mitte Dezember auf den Weg nach Bulgarien. "Immer auf der Suche nach herrenlosen Panzerwracks und anderem historischem Kriegsgerät", wie er erklärt. Etwa 65 uralte Panzer nennt er sein Eigen, hat einen Teil davon in der Nähe von Uttenhofen gelagert. "Rein aus Interesse und Idealismus", grenzt er sich sowohl von der "Braunen Soße" wie auch von illegalem Handel mit Kriegsgerät ab. Noch nie hat er ein Relikt verkauft. Allenfalls getauscht – und auch nur mit Museen oder anderen Sammlern. Zu seinem gesamten Besitz kam er auf völlig legalem Weg. Schriftliche Verträge, Papiere und Schreiben hält er ordnerweise parat.

Wracks im Grenzgebiet

In Bulgarien half ihm das acht Wochen lang praktisch überhaupt nichts. Mehrere Male war er dort, im nördlichen Grenzgebiet zur Türkei, mitten in einer ehemals verbotenen Militärzone. "Heute ist das Gelände frei zugänglich, 38 Panzerwracks liegen unbewacht herum, werden von den Einwohnern ausgeschlachtet und verschrottet", berichtet er von der Mission, auf die er sich zusammen mit Matthäus Mair machte. Schon beim Vermessen eines Panzerwracks fiel ihm ein weißer Lada auf. Männer in Lederjacken saßen darin, Gmeiner und Mair wurden beschattet. Vom bulgarischen Militär und vom Geheimdienst. "Das war uns noch egal – bis wir in Elhovo festgenommen wurden", berichtet der Uttenhofener. Im VW-Bus lagen Werkzeuge und Karten. An einen Abtransport der tonnenschweren Panzer war aber nicht zu denken. Zunächst wurden die beiden nur festgehalten, ihre Pässe konfisziert – alles ohne Begründung. Dann folgte der Vorwurf: "Ihr wollt unsere Panzer stehlen." Es folgte der Transport nach Jambol, die Vorladung beim Militärstaatsanwalt – und schließlich die Anklage.

Ihr zufolge sollen Thomas Gmeiner und Matthäus Mair im Oktober zwei Panzer in Fakia gestohlen haben. "Alles Humbug", wie Gmeiner versichert. "Mein Kumpel reiste im Dezember zum ersten Mal überhaupt nach Bulgarien ein. Und die zwei Panzer kenne ich zwar – aber sie liegen heute noch an Ort und Stelle in Fakia." Vor Gericht spielte das keine Rolle. Als Beweise wurden ein alter Straßenatlas, die Kopie einer Militärkarte und Fotos von Schrottpanzern herangezogen. Die beiden Deutschen landeten zunächst in Untersuchungshaft, dann sogar in Isolationshaft, zunächst in Jambol, später in Sophia – all das laut Gmeiner bei katastrophalen Haftbedingungen.

Weißer Brei und Innereien

Die Zellen waren winzig, ohne Fenster. Tagsüber lief die Heizung auf Hochtouren, nachts kühlten sie weit unter den Nullpunkt ab, 24 Stunden brannte das Licht. Es gab Weißbrot und chlorhaltiges Leitungswasser. "Mit etwas Glück dünne Bohnensuppe oder einen widerlichen weißen Brei und zerhackte Innereien", so Thomas Gmeiner. In Jambol durfte er noch telefonieren und mit seinem Anwalt sprechen. In Sophia war selbst das nicht erlaubt. "Völlig illegale Zustände", fügt er an: "Menschenunwürdig eben." Trotz allem hat Thomas Gmeiner mit den Bulgaren an sich gute Erfahrungen gemacht. Die Menschen seien hilfsbereit, er habe viele Freunde gefunden. "Nur der Staatsanwalt war ein echtes Schwein – und Teile des Geheimdienstes", so Gmeiner. Bei der folgenden Gerichtsverhandlung wurde der Vorwurf entschärft, die beiden Deutschen kamen auf Kaution frei, durften das Land aber nicht verlassen. Fortan lebten sie in einem Hotel in Jambol. Geld ließen sie sich von zu Hause schicken. Ihre Kreditkarten haben sie nicht zurückerhalten. "Die wollten uns weich kochen", vermutet Thomas Gmeiner. Ein "Vorschlag" des Staatsanwaltes habe so etwa gelautet: Gebt die Panzer zurück, dann dürft ihr ausreisen – oder ihr geht 15 Jahre in Haft. Eine saftige Bestechung in Höhe von 10 000 Euro hätte wohl auch gereicht, erfuhr der der 36-Jährige. Verlass sei darauf aber nicht gewesen.

Zu Fuß über die Grenze

So vergingen die Wochen. Die neue Anklage wurde vorgelegt: Der Versuch, einen Panzerturm stehlen zu wollen. Ab dem Moment reichte es Thomas Gmeiner endgültig. "Das wäre wohl jahrelang so weitergegangen. Ab jetzt dachte ich nur noch an die Flucht." Die plante er zunächst im Durchschwimmen des Donau-Deltas nach Rumänien. "Es war völlig vereist, ging also nicht", verwarf er den Plan und verließ sich lieber auf einen Kumpel, der Gmeiner und Mair mit einem aufgemotzten Jeep auflas. Es folgte eine abenteuerliche Flucht, ein Wettrennen mit dem weißen Lada, die Fahrt in die Berge. "Erst dachte ich noch an falsche Pässe. Doch dann liefen wir einfach über die Berge, passierten zu Fuß die grüne Grenze, fuhren weiter, über Albanien nach Griechenland, flogen schließlich von Thessaloniki aus nach Frankfurt", erzählt Thomas Gmeiner weiter. Seit drei Tagen ist er zurück in Uttenhofen. Ganz zu Ende ist das bulgarische Abenteuer für ihn aber nicht. Das dortige Militär versucht nun, einen internationalen Haftbefehl zu erwirken. "Lächerlich", wie Thomas Gmeiner sagt. Die Vorwürfe seien völlig haltlos. Schließlich hätten die Panzerwracks keinen Besitzer, sondern seien herrenloser Schrott. "Gestohlen haben wir definitiv gar nichts", so Gmeiner. Die bulgarischen Behörden hätten sogar eine offizielle Zählung durchgeführt, nach der alle 38 Schrottpanzer nach wie vor an Ort und Stelle stehen würden. Im Gegenzug wollen Gmeiner und Mair nun gegen die Behandlung durch das bulgarische Militär vor Gericht ziehen. "Erst in Bulgarien und später zur Not vor dem Europäischen Gerichtshof", blickt er nach vorne. Die nächste Reise nach Bulgarien scheut der Uttenhofener auch nicht. "Ich will mir diese Panzer nach wie vor holen. Dazu werde ich auch wieder hinreisen, wenn die Sache erst einmal erledigt ist." Falls ihm dieser Coup dann wirklich gelingt, wäre ein Buch wohl tatsächlich eine gute Idee. . .