Unterpindhart
Ein "gelernter Ossi" räumt ab

Joachim Zawischa holt den Sieg beim 19. Hallertauer Kleinkunstpreis – Erstmals ein Stimmenpatt bei Platz drei

07.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:44 Uhr

Als Boulevardzeitungsleser weiß der Gewinner des Hallertauer Kleinkunstpreises 2014, Joachim Zawischa (Foto oben), wo Politiker ihre Sprechblasen herhaben: Sie bedienen sich im Horoskopteil. Gemeinsam mit seinen drei Kontrahenten (Foto links unten, von links Christoph Tiemann, „Wiggerl“ und Anna Piechotta) nahm er das von der Hallertauer Volksbank gestiftete Preisgeld entgegen. Zu den Lachern des Abends trugen Parodien (hier Tiemann als Marcel Reich-Ranicki) bei. - Fotos: Zurek

Unterpindhart (zur) Der Weißwurst-Äquator hat seine Grenzfunktion verloren. Zumindest kabarettistisch. Joachim Zawischa – ein waschechter „Preiß“, im Osten geboren und im Norden aufgewachsen – eroberte am Dienstagabend Jury und Publikum des Hallertauer Kleinkunstpreises im Sturm.

Die Waffen des Siegers bei seinem Auftritt beim Rockermeier: parodistische Schmankerl von Ulbricht bis Honecker, die der „gelernte Ossi“ sächselnd als Prototypen einer auch im Westen durchaus reichlich vertretenen Politspezies präsentiert. Munition liefert ihm allerdings auch „Mutti Merkel“, die eine von der Leyen zur Verteidigungsministerin macht. Kindergärten in der Armee? Klar doch! Wo sich doch der Ausflug in den Zoo erübrigt, wenn „der Leopard direkt vor der Haustür steht“. Sprachliche Finesse und die richtige Portion alltäglicher Wahnsinn tun ein Übriges, damit Zwerchfell und Hirn jeden Widerstand aufgeben.

Ganz anders, aber ebenso professionell trat Anna Piechotta als zierliches Persönchen mit Sprengkraft an. Umgekehrt proportional zu ihrer Figur entwickelt sie ein Stimmvolumen, das auch ohne Mikro den Saal gefüllt hätte. Hinter einem Kirschmund und Kulleraugen verbirgt sich bei der Sängerin ein Vulkan. Genussvoll zelebriert sie am Piano den Wandel vom säuselnden Unschuldslamm zum dämonischen Vamp, der Kinderlieder zu Folterinstrumenten mutieren lässt. Ihr Ausflug in die Welt der Oper und des Jazz ist gespickt mit humorigen Zitaten aus der Notenwelt. Eine tolle Performance, die jedoch nicht ausreichte, um Zawischa zu übertrumpfen.

Erstmals in der Geschichte der Kleinkunstbühne gab es ein Stimmenpatt bei Platz drei. Martin Wichary alias „Wiggerl“ und Nordlicht Christoph Tiemann durften sich beide deshalb über 750 Euro Preisgeld freuen. Der einzige Bayer in der Runde trat mit urwüchsigem Charme an und landete mit Geschichten von einer Kindheit im Hinterland manchen Treffer. Bis an die Schmerzgrenze anschaulich erzählte er vom wöchentlichen „Badetag“, von Hitparaden-Highlights und dauergewellten Freundinnen. Beschönigen ist nicht sein Ding. Und so warf er auch einen bitterbösen Blick auf die Liebe im Alter oder besang als Witwe den „Stein, der deinen Namen trägt“. Teils derber Tobak, gepaart mit schon bekannten Witzen – eine Mischung, die nicht jeden im Publikum begeistern konnte.

An Originalität und Scharfsinn fehlt es Christoph Tiemann nicht, und auch seine Parodien – allen voran jene als Literaturpapst Reich-Ranicki – sind gekonnt. Was ihn um eine bessere Platzierung gebracht haben dürfte, war wohl die Themenwahl. Die CSU: Sie ist Schläge dank Starkbierreden hierzulande gewöhnt. Dass einer aber auf Hochdeutsch ausgiebig Hiebe verteilt, das schmerzt nicht nur die Strauß-Anhänger mehr. Die Kirche: Sie hält humoristische Untertöne aus. Jesus als unterbelichteten Gesprächspartner im „transzendentalen Quartett“ in Szene zu setzen und die Heiligsprechung zweier Päpste mit dem Hamburger Fischmarkt zu vergleichen ist in der überwiegend katholischen Holledau indes gewagt – aber eben nicht gewinnend. Moderator des äußerst unterhaltsamen Abends war wieder Chris Boettcher, der mit seiner authentisch lockeren Art und seinem Witz den vier Kontrahenten fast zur Konkurrenz wurde. Am Ende gab es viel Lob für alle Kandidaten sowie für die Organisatoren Hannes Hetzenecker und Karl Rockermeier. Seite 15