Pfaffenhofen
"Wir sprechen jetzt Deutsch"

Waldemar Emrich ist nach der Wende mit seiner Frau aus Rumänien ausgewandert

08.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:43 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Heute gehen die Interreligiösen und Interkulturellen Wochen los. Wir haben vorab Familien aus dem Ausland vorstellt, die sich in Pfaffenhofen gut integriert haben. Unser letztes Porträt stellt die deutsch-rumänische Familie Emrich vor.

Waldemar Emrich (48) ist Rumänien-Deutscher und hat bis zu seinem 25. Lebensjahr in Karansebesch und Temeswar gelebt. Für ihn war es immer schon klar, dass er eines Tages nach Deutschland gehen würde und möglich machte es schließlich die Wende 1989. Als deutscher Aussiedler verließ er zusammen mit seinen Eltern im Juni 1990 seine Heimat und zog nach München.

Sein Schwager war schon 1986 geflüchtet, ist nachts durch die Donau nach Jugoslawien geschwommen. In einem Häftlingslager bei Beograd musste er erst einmal zwei Wochen lang auf seine Ausreisegenehmigung warten – mit der ständigen Angst zurück nach Rumänien abgeschoben zu werden. Und Waldemar Emrichs Schwester war ihrem Mann ein Jahr vor der Öffnung der Grenzen Ende 1989 gefolgt.

Kurz bevor Waldemar Emrich Rumänien verließ, heiratete er Marita, die er schon seit der 9. Klasse kannte. Marita war Rumänin, sprach kein Wort Deutsch – bis auf einen Satz, den sie von Waldemar gehört hatte: „Ich liebe dich.“ Mit dem Gedanken, in den Westen zu gehen, konnte sich die 24-Jährige aber anfreunden, denn das kommunistische System behagte ihr schon lange nicht mehr. Marita stellte also ebenfalls einen Ausreiseantrag, schrieb aber erst noch ihre Diplomarbeit fertig.

Mit seiner ganzen Familie samt Eltern, Schwester und Schwager wohnte Waldemar zunächst in Petershausen, dann in Sulzbach. Jetzt will Emrich in Scheyern den Traum vom eigenen Haus erfüllen. Auch Marita (48) und die beiden Kinder Marc (13) und Hanna (7) freuen sich auf den Hausbau. Und natürlich wird auch ihr heiß geliebter Abessinierkater mit nach Scheyern ziehen.

Waldemar Emrichs Vorfahren waren Deutsche. Um 1400 waren sie aus Sachsen ausgewandert und hatten sich im heutigen Nordrumänien angesiedelt. Über 500 Jahre später war dann sein Großvater weitergezogen ins Banat. Hier lebten viele Deutschstämmige – zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg. Dass sein Großvater bleiben konnte, hatte er seinem handwerklichen Geschick zu verdanken. Er baute Gleisnägel für die rumänische Bahn.

Von seiner Oma lernte Emrich schon als kleiner Junge Deutsch und er besuchte auch noch einen deutschen Kindergarten. Dann kam die rumänische Schule – und hier war er als „der Deutsche“ durchaus angesehen. Waldemar Emrich studierte Elektrotechnik und arbeitete schon in Rumänien als Ingenieur. In Deutschland durchlief er eine sechsmonatige Eingliederung, machte einen Sprachkurs beim Goethe-Institut – denn sein Deutsch und die Sprache in Deutschland waren nicht unbedingt deckungsgleich – und machte sich dann auf Jobsuche. Ende 1991 bekam er eine Anstellung bei der Telekom in München, ist mittlerweile beurlaubter Fernmeldeamtsrat und angestellt bei der Telekom-Tochter T-Systems.

Die Ausreise nach Deutschland hat Waldemar Emrich nie bereut, auch wenn es „kein Schlaraffenland“ sei und der Start durchaus schwierig war. Viel schwerer hätten es aber seine Eltern, erzählt er: Sie hätten oft Heimweh.

Auch seine Frau Marita hat manchmal Sehnsucht nach ihrer Familie, jedes Jahr fährt sie mit Waldemar und den Kindern nach Luncavita. Marita spricht inzwischen auch gut Deutsch. – dank eines neunmonatigen Intensivkurses und einer drastischen Entscheidung ihres Mannes: „Wir werden Rumänien nicht vergessen, aber wir sprechen jetzt Deutsch“, verkündete er gleich nach Maritas Ankunft in Bayern. Und dabei blieb er auch.

Marita ist Diplom-Ingenieurin für Feinwerktechnik, machte aber nach ihrer Eingliederung in München einen Computerkurs in Programmierung. Elf Jahre lang war sie in ihrer Firma für Software-Entwicklung zuständig. Inzwischen arbeitet sie als selbstständige Webdesignerin und Webprogrammiererin.

Marita und Waldemar Emrich gehören unterschiedlichen Konfessionen an. Sie ist rumänisch-orthodox, er evangelisch. „Wir sind beide Christen“, sagen sie. „Religion war zwar offiziell in der Heimat ein Tabu, jedoch mehr oder weniger geduldet und in privaten Kulturkreisen ein oft leidenschaftliches Diskussionsthema. Die Kalender mit den religiösen Feiertagen waren in unserer Kindheit nicht von unseren Küchenwänden wegzudecken.“ Beide erinnern sich an die gut funktionierende Religionsvielfalt in ihrer früheren Heimat: „Wir hatten sogar vier unterschiedliche Gotteshäuser in der Nähe eines historischen Hauptplatzes in unserer Universitätsstadt Temeswar.“

Marita arbeitet seit drei Jahren im Vorstand des Internationalen Kulturvereins Pfaffenhofen mit und setzt sich dort für Integration ein. Während der Kindergartenzeit ihrer Kinder war sie auch im Elternbeirat aktiv und sie initiierte im Kindergarten Arche Noah einen Computerkurs für Kinder. „Ich möchte weitergeben, was ich hier bekommen habe“, sagt sie. Für ganz wichtig hält sie, und das möchte sie am liebsten jedem einzelnen Migranten ans Herz legen: „Wenn man nach Deutschland kommt, muss man unbedingt Deutsch lernen.“