Pfaffenhofen
"De Gluad weidagebn"

Der Dialekt als Ausdruck des Lebensgefühls – ein bairisches Interview zum "Tag der Muttersprache"

20.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:29 Uhr

Eine neue Fremdsprache – auch für viele Einheimische: PK-Karikaturist Hermann Singer macht sich seine eigene Gedanken über die Zukunft der bairischen Mundart. Karikatur: Hermann Singer

Pfaffenhofen (PK) „Sprechen Sie Bairisch“ Immer mehr Landkreisbürger müssen diese Frage mit Nein beantworten. Die Unesco zählt die heimische Mundart sogar zu den bedrohten Sprachen, an die am heutigen 21. Februar der „Tag der Muttersprache“ erinnern soll. „Mia san mia“: Kaum ein Spruch beschreibt die Bayern-Seele besser als dieser – „aba wia lang no“, könnte die Antwort von Pessimisten lauten. Ist das „Bairische“ vom Aussterben bedroht? Die PK-Redaktion sprach mit Siegfried Bradl, Zweiter Vorstand des Fördervereins für Bairische Sprache und Dialekte – auf Bairisch.

Griaß eahna Good, Herr Bradl. An eigana Dog für d’ Muttasprach hod d’ Unesco ausgruafa, um auf vom Aussterbn bedrohte Dialekte aufmerksam zu macha. Steht unsa Bairisch wirklich scho auf a rodn Listn, wie d’ Moorantn oder d’ Auerheena? Gibt’s ebba in fuffzg Johr gor koa Bairisch mehr?

Siegfried Bradl: Aus Sorg um de bairische Sprach homm bereits 1989 Weiba- und Maanaleit den Förderverein Bairische Sprache und Dialekte ins Lebm gruafa. De heitige Situationsanalyse schaugt a so aus: Da Anteil der junga Bevölkerung, de in Bayern boarisch und Mundart redt, schrumpft dramatisch. Standard- und nordisches Hochdeutsch dominiern ned nur in de Städte, sondern keema immer weida naus aufs Land. De Weitergab der bairischen Sprach und Mundarten an de nachfoigenden Generationen is deshoib gefährdet. Darum hod de Unesco 2009 aa „Bairisch“ den bedrohten Sprachn zugeordnet. In fuffzg Jahr werds sicher koa so a Bairisch mehr gebm, wias mia heid kenna. Aba des war scho immer so: De Sprach hod se immer verändert und war Einflüssen vo außen ausgsetzt. Im Bairischen homma zum Beispui vui Begriffe französischer, italienischer, lateinischer und gotischer Herkunft. Grod durch de Globalisierung und de Mobilität der Leid dreen de Einflüsse in unsara Zeit verstärkt auf. Mia werdn dees aber ned groß ändern keena. Wichtig ist jedoch, daas mia unsare Junga den Wert der Sprach und daas ma auf de stoiz sei keena, weida gebm. Damit deama ned de Asche bewahrn, sondern de Gluad weidagebn.

 

Im Fernsehn homms bei Interviews mid boarische Sportla oda andere Sendunga „Originalton Süd“ drunta gschriebn. Und in so manche Fuim kimmt da Bayer a diamoi ois oana rüba, der am liabstn fünf Maß Bier am Dog sauft und ned grod da Gscheida is. Dialekt redn, hoaßt dumm sei – is des de Botschaft, de vor oim bei de junga Leid rüberkummt?

Bradl: I find de Darstellung im Radio und Fernsehn vo Bayern ganz schlimm. A Umfrage des Bayerischen Rundfunks vor zwoa, drei Jahr hod ergebn, daas de Leid d‘Landschaft, de Berg und deen Dialekt ois ganz typisch Bairisch empfindn. Wenn ma dann de werbliche Darstellung Bayerns oschaugt, so findt ma de Berg wieda, verbundn mitm blaua Himme und Leid, de schuahblattln, Tracht drogn (Lederhosn, Wadlstrimpf, Haferlschuah und an Gamsbort am Huad) und Bier litaweis dringa. Oisa: A komplett anders Buidl! Do i soiba in dem Bereich tätig war, woaß i, daß in dera Branche heid no ganz wenig echte Bayern gibt. Wia soi i oiso wos rübabringa, dees i gor ned kenn? Daas da Dialekt bei de junga Leid ois „dumm sei“ rüber kimmt, stimmt so ned. Mia erlebn grod bei Leid ab 25 Jahr, de ans Heiradn und ans Kindagriagn denga, daß dene de Wurzeln und de Identität, de grod durch den Dialekt ziemlich stark geprägt werdn, ganz wichtig is. Zugleich woaß ma heid aufgrund neiasta Erkenntnisse der Hirnforschung, daß dees zwoasprachige Aufwachsn in Mundart und Hochsprache de beste Basis für a spaaderes Erlernen vo Fremdsprachn is. Wia zerst scho amoi gsagt, miassn mia de junga Leid den Wert und den Stoiz auf unsa Muaddasprach vermitteln. I bin a überzeigt, daß nur der, der woaß, wo er herkimmt, a woaß wo er higeh soi. Vo de Kinder, über de Eltern bis zu de Großeltern miaß ma olle mitnehma und dazua bringa, daß ma wieda selbstbewußt boarisch redn. Wichtig erscheint ma dabei, daß ma uns aber immer auf unsan Gegenüber, dees hoaßt den Gesprächspartner und sei Vermögen, Dialekt zum Versteh, eistoin miaßn, ohne uns immer zu 100 Prozent dem ozumbassn – so wias heid ganz oft bassiert.

 

„Nackert“: Mit dem auf bairisch gsungana Liad hättn de Musiker vo LaBrassBanda beinah den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest  gwunna. De Zuschauer hods sauguad gfoin, de Jury hod se aba ned draud, de Buam nauf noch Schweden zum Schicka. Des Siegerliad vo Cascada werd auf Englisch gsunga – aba vielleicht baßt des ja bessa zu Deutschland ois Bairisch. Schammt ma se bei de Radio- und Fernsehsenda für seine Mundart-Gruppn?

Bradl: Dees, wos i olles zu Bairisch gsagt hob, guit für mi a für deen Erhalt der deutschen Sprache. Aufgrund vo da Globalisierung und da Mobilität werd bei uns imma mehra Englisch gredt und is imma mehra Englisch – vor allem musikalisch – medial zum Hearn. Dees liegt sicha aa am Kommerz der Musikbranche und de Fernseh- sowia Rundfunkanstalten. De Unternehmen werdn heid knallhart gführt und dees „Benchmarking“, dees hoaßt da Vergleich mit de Wettbewerbsender, spuid a ganz a große Roin. I glaab ned, daas ma se wega de Mundart-Gruppn schammt. Um dees Lebensgfuih und de Mentaliät vo uns Baiern wiedaspiagln zu keena, muaß ma bei uns geborn sei. Scho da Herbert Schneider, a Münchner Turmschreiber, hod gschriebm, „Boarisch konnst ned lerna, ned studiern, im Herzn drinna muaßt as spüarn.“ Oft san hoid in de besagten Unternehmen Manager am Werk, de ned vo do san und damit a nimma dees Gspür homm, Bayern so zum Darstoin, wias de Menschn empfindn.

 

Sie selba san Volksmusikant, auf ehnam Facebook-Auftritt siegt ma sie ois Hochzeitsloda in Tracht mit am mit Bleame gschmücktn Rosenhoizstock in da Hand. Sans uns ned bääs – aba so stellt se da Preiß woi a so an richtign Klischeebayern vor.  Moi hochgstocha gfragt: Wo heard de Tradition auf, wo fangt da Kitsch o? Is für an echtn Bayern de Ledahosn Pflicht oda langts, wenn a selbstbewusst sein Dialekt in d’ Welt naus trogt?

Bradl: Dees is jetzt scho ganz schee hart formuliert. Aba i hob koa Problem damit. I soiba waar üba 25 Jahr in ganz Europa unterwegs und siegh mi ned ois Klischeebayer. In meiner Jugendzeit war i ganz überzeigt, daß jeds kloanste Detail, zum Beispui vo da Tracht, bassn muaß. Spaada hob i dann a Phase ghabt, wo i ma dengt hob, daas mei Volksmusi in da Jeans a ned schlechta klingt ois in da Tracht. Durch dees vui Unterwegssei und dees Redn mit andere Europäer sowie durch de Gegenbesuche vo deene bei uns in Bayern, hob i den Wert unsara Traditionen nomoi a ganz a Stickal anders erlebm derfa. Dees hod mi a dazua gführt, ganz stoiz wieda mei Tracht – i sog eigentlich liaba „mei Gwand“ – ozumziagn. Wissen muaß ma do dazua, daß sa se dabei um dees absolute Festtagsgwand handelt, dees friahas und a heid no nur zu ganz besondere Anläße ozogn wordn is – und a Hochzeit is no amoi a so oana. Dees Gwand hod aba a vui mit da eigana Persönlichkeit zum Doa: Der bin i, dees ziagh i o und in dem Gwand fuih i mi woih. I moan fast, daß uns dees alles in unsara Zeit a bisserl abhandn keema is – genauso wia aa de Lebenstaktung. Damit moan i dees Lebm mit da Natur und dem Jahresablauf oder des Feiern der kirchlichen und weltlichen Feste übers Jahr. Jeda muaß für sich soiba definiern, wos für eam Tradition und wos für eam Kitsch is. Für mia is Tradition ganz was Wichtiges, allerdings ned, daß ma damit erstarrt, sondern daß de de Basis gibt, um sich guad weiterentwickeln zum keena. Wenn i sog de Basis, dann moan i damit de regionale Volkskultur, in der i groß wordn bin. Für deen, der ned woaß, wos i mit Volkskultur moan, mecht i no sogn, daas domit de regionale Volksmusi, da Volksgsang, da Volkstanz, des Gwand, de Sitten und Bräuche, de Baukultur und de Mundart dazua ghearn. Übrigens: Für mi ois echtn Bayern – Wos is eigentlich „echt“? – is d’ Ledahosn koa Pflicht. Mia glangts, wenn jemand sein Dialekt selbstbewusst in d’ Welt naus trogt. Wenn a dees duad, dann baßt a dees Andere.

 

Das Interview führte

Rudi Gegger