Pfaffenhofen
"Viele Leute zeigen mir den Daumen"

Aysel Erdem arbeitet als Busfahrerin in Pfaffenhofen und sitzt mit Kopftuch am Steuer

09.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:20 Uhr

Welcher Fahrschein soll es sein? Aysel Erdem fährt in Pfaffenhofen den Stadtbus und auch Schulbusse. Die gebürtige Türkin sitzt mit Kopftuch am Steuer - und kann bisher nur von schönen Erlebnissen berichten. - Foto: Lodermeyer

Pfaffenhofen (PK) Viele Pfaffenhofener kennen sie: Aysel Erdem hilft beim Internationalen Kulturverein, engagierte sich auch in den Schulen und bei anderen Gruppen. Beruflich fährt die zierliche Frau Bus - und sitzt mit Kopftuch auf dem Fahrersitz.

Sie mag es einfach, bei großen Fahrzeugen am Steuer zu sitzen. Diese Leidenschaft hatte Aysel Erdem schon immer - und seit vergangenem Jahr verdient die Pfaffenhofenerin damit nun ihr Geld. Sie fährt Schulbusse und übernimmt Stadtbustouren - und mag es eben am liebsten, mit einem richtigen, großen Bus durch die Stadt zu fahren. Vielen ist die zierliche Frau am Steuer schon aufgefallen: Denn sie trägt Kopftuch. "In der letzten Zeit sind die Blicke stärker geworden", erzählt die gebürtige Türkin, die nun seit 20 Jahren in Pfaffenhofen lebt. Grund ist offenbar die Debatte um ein Kopftuchverbot in Deutschland. Trotzdem kann sich Erdem an keine Zwischenfälle erinnern. "Im Gegenteil: Wenn ich am Zebrastreifen halten muss oder an einer Ampel stehe, dann zeigen mir die Leute den Daumen", sagt sie.

Das Kopftuch trägt die Pfaffenhofenerin wegen ihres Glaubens. "Streng religiös bin ich nicht", erklärt sie. "Aber auch nicht so locker." Eine stärkere Verschleierung kommt für sie nicht in Frage, ohne Kopftuch geht sie allerdings nicht außer Haus. "Ich denke, es muss jeder selbst entscheiden, ob und wie er sich verschleiern will", erklärt Erdem. "Ich habe das Kopftuch schon immer getragen." Entsprechend geübt ist Erdem auch, wenn sie sich das Tuch um den Kopf bindet: Direkt auf dem Haar trägt sie eine kleine Baumwollkappe, damit das Kopftuch einen besseren Halt bekommt - mit einer Stecknadel am Kinn und zwei weiteren am Oberkopf befestigt sie den Stoff, die Enden bindet sie im Nacken zusammen. Einen Spiegel braucht sie dazu nicht. "Das geht ganz schnell - ich brauche vielleicht eine Minute."

Die Debatten um Kopftuch, Burka und andere Verschleierung verfolgt Erdem nicht sonderlich. "Manchmal ist die Diskussion sehr extrem", sagt sie. Einige Argumente seien eher am rechten Rand des politischen Spektrums anzusiedeln.

Trotzdem erzählte sie ihrem künftigen Arbeitgeber schon beim ersten Telefonat, dass sie mit Kopftuch unterwegs ist. "Ich habe direkt bei Christian Stanglmeier angerufen und gefragt, ob ich bei ihm arbeiten könnte - und da habe ich auch gleich wegen des Kopftuchs gefragt", erzählt sie. Seit etwa einem Jahr fährt sie nun für das Mainburger Bus- und Reiseunternehmen. "Mein Mann und meine Familie haben mich dabei sehr unterstützt", sagt Erdem. Den Busführerschein machte sie in Kelheim. Schon als Fahrschülerin mit Kopftuch erlebte sie einige nette Szenen. "Ich kenne in Kelheim keinen, aber immer wieder haben mir die Leute zugewunken", sagt Erdem. "Das hat auch mein Fahrlehrer noch nicht erlebt gehabt - wir haben sehr viel gelacht."

Nun fährt Erdem für die Firma Stanglmeier Busse. Für ihre Chefs ist ihr Kopftuch eigentlich kein Thema. "Die Zusammenarbeit mit Frau Erdem ist prima", lobt Seniorchef Ernst Stanglmeier. "Sie ist eine gute Mitarbeiterin", fügt er an - und will gar nicht mehr zu dem Thema sagen. Denn der Busunternehmer sieht die Situation pragmatisch: Wenn ein Mitarbeiter gut und fleißig ist, es keine Beschwerden gibt - dann sind andere Punkte eigentlich kein Thema.

Auch Johann Sondermeier, bei der Stadt Pfaffenhofen für die Stadtbusse zuständig, sieht kein Problem darin, dass eine Frau mit Kopftuch am Steuer sitzt. "Wir haben einen Dienstleistungsvertrag mit der Firma Stanglmeier", erklärt der Sachgebietsleiter. "Die eingesetzten Busfahrer haben Regeln, wie sie sich anziehen sollen: Sie müssen in Uniform am Steuer sitzen." Sondermeier fügt an: "Da steht nichts drin zu einem Kopftuch. Voll verschleiert würde sicherlich nicht gehen - aber auch ob sie vielleicht einen Hut oder eine Kappe tragen, das steht den Fahrern frei." Stattdessen lege die Stadt vor allem Wert auf andere Punkte: "Die Fahrer sollen den Fahrplan einhalten, zu den Leuten freundlich sein und beim Ein- und Aussteigen - zum Beispiel mit einem Rollator - helfen." Überlegungen zu einem Kopftuchverbot bei Stadtbusfahrern gibt es laut Sondermeier nicht.

"Sollte es einmal ein Verbot geben, dann kann ich, glaube ich, nicht mehr arbeiten", sagt Erdem. Aber sie ist zuversichtlich: "Christian Stangl-meier stand von Anfang an hinter mir. Mein Chef sagt, Hauptsache ich mache meinen Job gut."

Generell beobachtet Erdem, dass viele Leute wegen ihres Kopftuchs erst einmal einen falschen Schluss ziehen. "Wenn ich mit einer Gruppe Frauen unterwegs bin, die alle kein Kopftuch tragen - aber ich schon, dann denken die Leute, dass die anderen Frauen offener sind", sagt sie. "Aber Offenheit hat mit einem Kopftuch nichts zu tun." Es gebe viele muslimische Frauen, die ihre Haare zwar offen tragen, aber sehr zurückhaltend sind. "Ich bin immer für ein Gespräch bereit und viel offener", sagt Erdem. "Aber das merken die Leute auch, sobald sie sich ein wenig mit mir unterhalten."