Papa Lowa will noch weiter wachsen

Über 2,2 Millionen verkaufte Paar Schuhe: Geschäftsführer Werner Riethmann verkündet im Interview eine neue Rekordmarke

30.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:21 Uhr

Seht her, meine Schuhe: Lowa-Geschäftsführer Werner Riethmann präsentiert einen neuen Verkaufsrekord und kündigt bereits den nächsten an. Im PK-Interview spricht der Firmenchef über seine Ziele und macht sich Gedanken über seine Nachfolge. - Fotos: Hailer


Herr Riethmann, vor zwei Jahren haben die Meldungen über einen möglichen Verkauf der Lowa-Anteile durch den Mutterkonzern Tecnica große Besorgnis in Jetzendorf ausgelöst. Was waren die Gründe, dass die Familie Zanatta, die mit 60 Prozent Hauptgesellschafter von Lowa ist, ihre Anteile doch behalten hat?

Werner Riethmann: Grundsätzlich muss ein Unternehmensverkauf ja nichts Negatives sein. Aber weil die Firma Lowa immer noch wie ein Familienbetrieb geführt wird, obwohl sie längst keiner mehr ist, können sich viele Leute nicht vorstellen, dass sie plötzlich einem anderen gehört. Meine große Sorge war allerdings, dass die Firma nicht in die richtigen Hände kommt, sondern in die von Investoren, die nur schnellen Profit machen wollen und sie dann wieder abstoßen. Deshalb habe ich mit dem Mitgesellschafter Renzo Castellani, dem wie mir 20 Prozent der Lowa-Anteile gehören, auch nach einer Lösung gesucht, das Unternehmen von der Familie Zanatta zu erwerben. Letztlich haben sich die Eigentümer aber entschieden, ihre Anteile doch zu behalten, vermutlich auch auf Empfehlung der Banken. Denn Lowa ist innerhalb der Tecnica-Gruppe mit über einem Drittel Umsatzanteil das größte und wohl auch profitabelste Unternehmen. Aus diesem Grund kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ein Firmenverkauf in den nächsten Jahren nochmal zur Debatte stehen wird.

 

Andere zur Tecnica-Gruppe gehörende Firmen, für deren Deutschland-Vertrieb bisher Lowa zuständig war, wurden aber verkauft, zum Beispiel die Textilmarke Dolomite, oder wie im Falle Nordica umstrukturiert. Welche Auswirkungen hat dies auf den Standort Jetzendorf?

Riethmann: Dolomite wurde zwar verkauft, aber hier möchten die neuen Eigentümer – eine italienisch-amerikanische Beteiligungsgesellschaft – nach aktuellen Informationen, dass wir für sie weiterhin den Vertrieb erledigen. Den Vertrieb für Ski und Schuhe der Marken Tecnica, Nordica und Blizzard sowie Rollerblade Inlineskates hat der Konzern jetzt in Mittersill in Osttirol gebündelt. Ziel ist es, den gesamten deutschen Markt künftig direkt vom Hersteller zu beliefern, was aus Kostengründen auch sinnvoll ist. Von der Umstrukturierung bei Tecnica waren in Jetzendorf etwa zehn Mitarbeiter betroffen, die teilweise in anderen Funktionen übernommen wurden. Beim Gesamtumsatz verlieren wir damit etwa acht Millionen Euro.

 

Und was passiert mit den Räumlichkeiten?

Riethmann: Die vor zehn Jahren bezogene Nordica-Vertriebszentrale an der Aichacher Straße können wir ganz dringend für Lowa selbst gebrauchen. Die Lagerräume haben wir bereits übernommen und die Büros werden hoffentlich bald folgen, weil wir mit der Verwaltung im Stammhaus aus allen Nähten platzen. Was unsere Produktionskapaziät betrifft, sind wir mit derzeit 450 000 Paar Schuhen ausgelastet. Es wären bis zu 500 000 möglich, wenn wir noch eine zusätzliche Schicht oder Überzeiten dranhängen. Aber dann ist Schluss. Zusätzliche Erweiterungsmöglichkeiten für die Produktion haben wir in Jetzendorf nicht.

 

Schon vor einigen Monaten hatten Sie angekündigt, dass 2014 das beste Jahr der Lowa-Geschichte werden würde. Hat sich die Prognose bestätigt?

Riethmann: Unsere offiziellen Zahlen werden wir erst bei einer Pressekonferenz im Juni veröffentlichen. Ich kann aber jetzt schon verraten, dass wir 2014 über 2,2 Millionen Paar Schuhe verkauft und damit die Rekordmarke des Jahres 2011 überboten haben. Und 2015 wird nach den bis jetzt vorliegenden Zahlen noch besser.

 

Welchen Faktoren verdankt Lowa diesen Erfolg und wo sehen Sie weitere Wachstumschancen?

Riethmann: Neben dem Kerngeschäft mit Alpin-/Trekking- und Wanderschuhen, das immer noch etwa 80 Prozent der gesamten Produktion ausmacht, ist unsere Travel-Collection momentan das stärkste Wachstumssegement. Das sind bequeme Schuhe für Freizeit und Reisen im sportlichen Design oder auch als modische Slipper, die wir vorwiegend über den Schuhhandel vertreiben. Auch mit Kinderschuhen sind wir mittlerweile sehr erfolgreich.

 

Vor einiger Zeit gab es Überlegungen in das Geschäft mit Outdoor-Textilien einzusteigen. Ist das noch ein Thema?

Riethmann: Nein. Wir folgen lieber dem Sprichwort: Schuster bleib bei deinen Leisten und haben seit einigen Jahren eine erfolgreiche Partnerschaft mit der Firma Schöffel. Mittlerweile gibt es in Deutschland 23 gemeinsame Lowa-/Schöffel-Stores. Unser Ziel wären 50 Shops, in denen Schöffel und Lowa ihre gesamte Produktpalette an Bekleidung und Schuhen präsentieren können. Im normalen Sportfachgeschäft ist das in dieser Form nicht möglich, weil hier unsere Schuhe neben vielen anderen Marken im Regal stehen. Der Sportfachhandel ist aber weiterhin unser wichtigster Vertriebspartner. Wir wissen sehr wohl, wem wir unseren Erfolg in den vergangenen Jahrzehnten zu verdanken haben.

 

Während andere Hersteller ihre Produktion aus Kostengründen immer mehr nach Asien verlagern, werden Lowa-Schuhe ausschließlich in Europa produziert. Wie kann sich Lowa diesen Luxus leisten?

Riethmann: Wir hatten vorübergehend Produktionsstätten, zum Beispiel für Trekking-Sandalen, in Vietnam, Kambodscha und China. Aber es hat sich gezeigt, dass es bei unseren relativ kleinen Volumen nichts bringt, die Produktion und die Mitarbeiter zwischen Europa und Asien aufzusplitten. Deshalb haben wir uns entschieden, ausschließlich in EU-Ländern zu produzieren. In Jetzendorf konzentrieren wir uns auf die Montage des schweren Schuhwerks, wie Alpin- und Trekking-Stiefel. Dazu kommen noch mehrere Fabriken und Nähereien in Italien, Kroatien, Bosnien und der Slowakei, wo die Oberteile der Bergstiefel, leichtere Wanderschuhe und alle anderen Lowa-Modelle hergestellt werden. Mit der Entscheidung, nur in Europa zu produzieren helfen wir nicht nur den Menschen der ärmeren EU-Länder, in der eigenen Heimat ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Das Siegel „Made in Europe“ bringt uns auch einen Wettbewerbsvorteil gerade in China und anderen Schwellenländern, wo eine wachsende Zahl an Kunden großen Wert auf europäische Marken-Produkte legt.

 

Welchen Anteil hat das Exportgeschäft?

Riethmann: Der gesamte Export macht derzeit ungefähr 54 Prozent des Umsatzes aus, das Asiengeschäft, hauptsächlich China, etwa fünf Prozent. Mein Ziel wären zehn Prozent, nach jetzigem Stand also 220 000 Paar Schuhe. Wir haben gerade einen neuen Mitarbeiter eingestellt, der Mandarin spricht. Denn gerade in China ist es extrem wichtig, dass sie jemand haben, der mit den Geschäftspartner nicht nur in englisch verhandeln kann, sondern auch die Landessprache und die Mentalität der Leute versteht.

 

Welche Schuhe kaufen denn die chinesischen Kunden?

Riethmann: In China gibt es noch keinen großen Outdoor-Markt wie in Europa. Berg- und Wanderschuhe machen nur etwa 25 Prozent unserer Verkäufe aus, wesentlich mehr Geschäft machen wir hier mit unserer Travel-Collection, für die der entscheidende Anstoß aus dem Chinageschäft kam. Mittlerweile sind wir schon mit insgesamt 60 Lowa-Monobrand-Stores in chinesischen Großstädten vertreten. Neben China wächst auch unser USA-Geschäft stetig. Im letzten Jahr hatten wir unser bestes Ergebnis seit Bestehen von Lowa und auch heuer werden wir wieder um knapp zehn Prozent wachsen.

 

Sie haben Lowa zu einem international erfolgreichen Unternehmen ausgebaut. Ihre Leistungen wurden mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden gewürdigt. Auf welche Ehrung oder welche Leistung Sie besonders stolz?

Riethmann: Es freut mich natürlich sehr, dass ich als Schweizer Staatsbürger in Deutschland zwei so hohe staatliche Auszeichnungen bekommen habe, wobei der Bayerische Verdienstorden für mich einen besonderen Stellenwert hat, weil er ja auf 2000 lebende Ordensträger limitiert ist. Es ist schön, solche Ehrungen zu haben, aber ich würde meinen Job genauso machen, wenn ich sie nicht hätte. Stolz bin ich natürlich auch darauf, wie sich mein Baby Lowa aus schwierigen Geburtswehen zu einem erfolgreichen Unternehmen entwickelt hat. Als ich Raichle 1992 verlassen habe, verkauften wir dort eine Million Paar Schuhe. Dies wollte ich bei Lowa auch erreichen und habe es im Jahr 2000 auch geschafft. Mittlerweile konnten wir die zwei Millionen knacken. Und jetzt bin ich an der dritten Million. Mal schaun, wie weit ich noch komme, solange ich noch hier bin. Was mich ein wenig wundert, ist die Tatsache, dass von offizieller Seite in der Gemeinde zwar immer wieder betont wird, wie wichtig Lowa für Jetzendorf ist, aber selten gewürdigt wird, wer hinter dem Erfolg der Firma steht. Wir haben als Hauptsponsor das neue Sportstadion nach dem Firmengründer Lorenz Wagner benannt, sein Nachfolger Sepp Lederer ist Ehrenbürger der Gemeinde und mich würde es wirklich stolz machen, wenn die Jetzendorfer vielleicht einmal eine Straße nach mir benennen würden – es kann ruhig auch eine Sackgasse sein.

 

Mit 66 Jahren ist laut Udo Jürgens zwar noch lange nicht Schluss, aber denken Sie auch schon mal an den Ruhestand? Wie könnten Sie sich die Nachfolgeregelung bei Lowa vorstellen und welche Ziele würden Sie gerne noch erreichen?

Riethmann: Mir macht die Arbeit nach wie vor riesigen Spaß. Aber ich möchte in nächster Zeit etwas kürzer treten, indem ich erst am Montagabend in die Firma komme und am Donnerstagabend wieder heimfahre. Das Management habe ich in den vergangen drei Jahren bereits stark verjüngt und wenn diese Leute das erfüllen, was ich mir wünsche, dann bin ich sehr nahe an meinem Ziel, meine Präsenz im Unternehmen etwas zu reduzieren. Den italienischen Mitgesellschaftern habe ich schon gesagt, dass ich mit 70 nicht mehr hier am Schreibtisch sitzen möchte. Ein Jahr mehr oder weniger wäre für mich kein Problem. Wenn dies gewünscht wird, könnte ich mir eine Funktion in dem seit vier Jahren bestehenden Aufsichtsrat vorstellen, um so die Geschicke von Lowa noch beeinflussen zu können. Mit der Suche nach dem neuen Papa Lowa habe ich noch nicht begonnen. Denn der Wechsel sollte innerhalb kurzer Zeit vollzogen werden und mein Nachfolger nicht drei Jahre warten müssen, bis ich ihm die Geschäftsführung übergebe.

 

Was werden Sie an Jetzendorf vermissen?

Riethmann: Vermissen werde ich meine Aufgaben in der Firma und viele meiner Mitarbeiter, die mir ans Herz gewachsen sind. Der Abschied von der Gemeinde Jetzendorf selbst wird mir weniger schwer fallen, was daran liegt, dass ich immer meinen Schweizer Wohnsitz und damit auch den Lebensmittelpunkt mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern in Kreuzlingen behalten habe.

 

Und worauf freuen Sie sich besonders, wenn Sie eines Tages wieder ganz in Ihre Schweizer Heimat zurückkehren werden?

Riethmann: Vor allem will ich mit meiner Frau Maria Theresia noch größere Reisen unternehmen. Ich war in meinem Leben zwar schon viel in der Welt unterwegs, aber meistens musste ich meinen Urlaub immer irgendwie zwischen die Termine reinquetschen. Im Ruhestand kann ich mir dann mehr Zeit nehmen, noch viele schöne Plätze zu besuchen. Außerdem möchte ich als vierfacher Großvater auch mehr Zeit mit meinen Enkeln und meinen beiden Töchtern verbringen. Ich wohne ja selbst in einer wunderschönen Urlaubsregion am Bodensee, wo ich dann auch öfter mal mit meinem Motorboot unterwegs sein werde.

 

Das Interview führte Willy Hailer.