Neuburg
"Wir haben keinen kalten Krieg"

Inspekteur der Luftwaffe, Karl Müllner, spricht in Bittenbrunn über Fragen der Sicherheit

10.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:19 Uhr

Verbesserung der Einsatzbereitschaft gefordert: Luftwaffeninspekteur Karl Müllner (l.) beim Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik der CSU in Bittenbrunn. - Fotos: Frank

Neuburg (DK) Fragen der militärischen Sicherheit, global und auch national, standen im Mittelpunkt, als Generalleutnant Karl Müllner, Inspekteur der Luftwaffe, am Freitagabend im Hotel Kirchbaur in Bittenbrunn vor sein Publikum trat.

Der Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik der CSU mit Vorsitzendem Thomas Köstler hatte eingeladen. Aktive und ehemalige Soldaten drängten sich im Säulensaal, darunter reichlich ehemalige Generäle und Geschwaderchefs. Kein Wunder, Müllner (Foto) war lange Jahre in Neuburg stationiert, auch als Kommodore des Jagdgeschwaders 74. Der Verbundenheit waren auch die drei goldenen Sterne nicht abträglich. Man kennt und schätzt sich.

Als Deutschlands ranghöchster Luftwaffenoffizier sprach Müllner in einem rund einstündigen Vortrag über den Arabischen Frühling und die Ernüchterung, die darauf folgte. Von der politischen Instabilität in den betreffenden Ländern und der Perspektivlosigkeit für die jungen Menschen dort. Die Lage in Syrien sei inzwischen völlig unübersichtlich, die Zukunft Afghanistans ungewiss, spannte der Generalleutnant einen Krisenbogen. "Unser Interesse kann es nicht sein, die Gesellschaften dort zu verändern, sondern ihnen zu helfen, damit sie sich selbst helfen können."

Die Rahmenbedingungen für die Bundeswehr sind andere geworden. "Wer denkt noch dran, dass deutsche Soldaten am Balkan sind und in Afghanistan? "Man kann da nicht abziehen, ohne mehr Chaos zu hinterlassen", sagte Müllner. Hinzu kämen Tornado-Einsätze im Kampf gegen den IS, das Air Policing im Baltikum, der Einsatz der unbemannten Heron I in Mali und Versorgungsflüge von Niger nach Mali. "Wir brauchen unbemannte Luftfahrzeuge mit Bewaffnung. Das steht nicht mehr in Frage", betonte der Inspekteur.

Und da ist noch ein verändertes Verhalten Russlands. Seit der Krimkrise machten die Russen deutlich ihre eigene Politik. Russland sei bereit, kalkulierbare Risiken einzugehen und Putins Wille sei politisches Programm. Aber: "Wir haben keinen kalten Krieg." Diesen Satz wiederholte Müllner mehrmals.

Die Frage sei, ob Deutschland sicher und stabil eingebettet sei. Die Eurokrise, der Brexit, Populisten und Uneinigkeiten ließen der EU kaum noch Kraft, sich um die Krisen Europas zu kümmern. 2016 habe Deutschland rund ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Rüstung investiert. "Wir sind schön im Windschatten der Amerikaner gesegelt, die etwa zwei Drittel der Verteidigungsausgaben bestreiten. Es ist verständlich, dass die USA verlangen, dass wir mehr tun." Konkret bedeute dies, den Rüstungsetat von derzeit 37 auf 70 Milliarden Euro zu steigern. Müllner warnte davor, gleich nach einer europäischen Armee zu rufen. Man solle nicht über Utopien nachdenken, sondern über Zusammenarbeit. Die USA hätten fünf verschiedene Typen von Kampfflugzeugen, die Europäer 14, eine hinderliche Vielfalt. Man könnte, so Müllner, viel tun. Beispiel: Industrielle Kooperationen. Sich auf gemeinsame Projekte einigen. Und: "Zur Sicherheitsvorsorge gehört heute wieder die gute alte Abschreckung. Ohne die Nuklearwaffen der Amerikaner könnten wir unsere Sicherheit nicht garantieren." Wenn Abschreckung funktionieren solle, müsse sie auch glaubwürdig sein, findet der Inspekteur, der eine Verbesserung der Einsatzbereitschaft fordert. Die Luftwaffe werde Transportflugzeuge vom Typ C130 Hercules beschaffen. Bei den Hubschraubern sei die Entscheidung noch nicht gefallen, denn es soll ein großer Hubschrauber sein und die würden in Europa nicht hergestellt. Was den Eurofighter betrifft, "da müssen wir schauen, dass wir ihn endlich zum Kampfflugzeug machen". Die Luftwaffe brauche unbemannte Maschinen, aber die bemannten müssten der Kern bleiben.

In der anschließenden Fragerunde kam das Thema Wehrpflicht auf. Mit der, so Müllner, sei man sehr gut gefahren, aus militärischer Sicht würde der Staatsbürger Müllner heute aber davon abraten: "Weil die jungen Leute geführt werden müssen. Ich müsste aus dem bestehenden Pool Leute rausziehen, was die Kampfkraft schwächen würde. Eine Armee zu verkleinern, das geht ruck-zuck, aber umgekehrt machen wir die Erfahrung, dass das gar nicht so schnell geht."

Zur Zerstörung von Assads Stellungen in Syrien durch die US-Amerikaner, sagte Müllner, das Überschreiten der roten Linie habe diesmal sanktioniert werden müssen. Es gehe um ein politisches Signal an Assad. Und Russland werde Assads wegen keinen Krieg mit den USA anfangen.

Was die nähere Umgebung betrifft, hält der Inspekteur den Flugplatz Lagerlechfeld für weiterhin notwendig, auch für das Neuburger Geschwader. Ein Problem der Luftwaffe sind die Wartezeiten für angehende Piloten. "Das ist ein Dauerthema bei mir. Man bildet die jungen Leute aus und dann warten sie auf ein Waffensystem. Wir hatten schon Wartezeiten von über zwei Jahren." Die Lösung des Problems hänge halt davon ab, wie viele Flugzeuge und Fluglehrer zur Verfügung stehen.