Neuburg
Emotionale Sandkastenspiele

"Liebeslügen oder Treue ist auch keine Lösung" im Stadttheater

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr

Ausgezeichnet: Die Ehrenplaketten des BRK in Gold und Silber sowie Vereinsehrungen für die Gründungs- und langjährigen Mitglieder gab es auf der 50-Jahrfeier der BRK-Bereitschaft in Karlshuld. - Fotos: Hammerl

Neuburg (DK) Für Julia ist "Fremdgehen eine Impulskontrollstörung" und somit unentschuldbar. Nathalie entschuldigt ihre Affären mit verheirateten Männern damit, dass "der Markt abgegrast ist", und Birgit sieht im Mann als solchen ein Problem, denn "das Y-Chromosom ist eine genetische Ruine".

Womit die drei Protagonistinnen der 2016 uraufgeführten Komödie "Liebeslügen oder Treue ist auch keine Lösung" schon vorgestellt wären. Mehr braucht es nicht für zwei unterhaltsame Theaterstunden, in denen die Männer eher schlecht wegkommen - vordergründig betrachtet jedenfalls. Das ist zu erahnen gewesen und könnte der Grund für das auffällig weibliche Publikum im Neuburger Stadttheater gewesen sein. Nur wenige Männer haben sich zur Aufführung des Ernst Deutsch Theaters aus Hamburg getraut. Humor mussten sie mitbringen, doch auch Frauen bekommen ihr Fett weg. Schließlich gehört zu jedem fremdgehenden Mann - und das ist laut Statistik immerhin jeder zweite - auch eine Frau, wie die drei Freundinnen Julia, Nathalie und Birgit sehr wohl wissen. Was sie von der jeweils anderen nicht wissen, das erahnt das Publikum anhand der sprechenden Mimik der Darstellerinnen sehr schnell. Ganz abgesehen davon, dass die Zuschauer zu Beginn einen Chat zwischen Nathalie und ihrem derzeitigen Geliebten mitbekommen.

Drei Frauen, drei völlig konträre Charaktere - und doch haben die emotionale Julia (Sandrine Guiraud), der Vamp Nathalie (temperamentvoll: Anke Fiedler) und die vernünftige Birgit (Jasmin Wagner) ganz ähnliche Probleme, ihr Liebesleben auf die Reihe zu bringen. Nathalie hat einen Liebhaber nach dem anderen verschlissen und schiebt nun Torschlusspanik auf der Suche nach einem Lebensabend-Begleiter. Birgit hat ihrem Mann Hanno einen Seitensprung verziehen, was Julia, die ihren Mann Oliver im Verdacht hat, überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Natürlich kommt alles noch viel schlimmer, sind die Beziehungen noch verwickelter und verknüpfter als es den Anschein hat. Doch es geht nicht nur um Liebe und Sex, sondern auch um fast schon philosophische Fragen. Wie viel Wahrheit verträgt eine Beziehung? Hat der gehörnte Ehepartner ein Recht auf die Wahrheit oder will er doch lieber Nicht-Wissen? Ist dem Mann zumutbar, das Kind eines anderen großzuziehen, ohne von der fremden Vaterschaft zu erfahren? Einig sind sich alle drei jedenfalls in ihrer Verachtung für Blase-Bärbel, jene Klassenkameradin, die einst von der Schule flog, weil sie dem Physiklehrer im Kopierraum "einen geblasen hat". Womit sie sich offensichtlich nicht begnügt, sondern auch andere Ehemänner vernascht hat.

Das ganze Ausmaß der Doppelmoral in Ildikó von Kürthys pointenreicher, von Andreas Kaufmann unterhaltsam inszenierten, wenn auch handlungslosen Komödie wird erst in der letzten Szene offensichtlich. Ach ja - ein Vorurteil dürfte entkräftet sein: Nicht nur Männer bleiben Kinder, auch Frauen spielen noch - im Sandkasten. Der nimmt einen Großteil der Bühne ein, daneben gibt es eine für drei Frauen viel zu große Couchlandschaft einer Bar, die nahe genug an Julias Zuhause liegt, um Mann und Sohn per Babyphon zuzuschalten. Und was haben die Frauen im modernen Beziehungsdilemma nun davon? Der Wahrheitsfindung mag das Treffen ja gedient haben - ob sie am Ende glücklicher sind, sei dahingestellt.

Das Publikum hat auf jeden Fall seinen Spaß am spritzigen Text, der ausdrucksstarken Mimik der Schauspielerinnen, die die feine Grenze zum Klamauk stets achten, und den Überraschungen, die das Stück parat hält.