Neuburg
Missbrauchsprozess endet mit Bewährung

Gericht sieht Übergriffe auf Nichte als erwiesen an Mann aus dem Kreis Pfaffenhofen aus U-Haft entlassen

21.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:54 Uhr

Neuburg (DK) Nach achtmonatiger U-Haft ist ein Mann aus dem Kreis Pfaffenhofen wieder auf freiem Fuß - allerdings auf Bewährung. Das Neuburger Jugendschöffengericht verurteilte ihn gestern wegen sexuellen Missbrauchs seiner Nichte zu 18 Monaten Haft. In einem zweiten Fall gab es einen Freispruch.

Mit der Urteilsverkündung beendete Jugendrichter Gerhard Ebner gestern Nachmittag eines der umfangreichsten Verfahren in der jüngeren Vergangenheit des Amtsgerichts. Neun Verhandlungstage hatten Richter, Schöffen, Anklage und Verteidigung für die Suche nach der Wahrheit aufgewendet. Unzählige Zeugenaussagen und zwei Gutachten von unabhängigen Sachverständigen später sah das Gericht zumindest einen Teil der Vorwürfe gegen den 40-jährigen Familienvater als erwiesen an.

Der aus Rumänien stammende Mann hatte zum Abschluss des Verfahrens doch noch sein Schweigen gebrochen und dem Gericht über seine Dolmetscherin für dessen Arbeit gedankt. In den vergangenen drei Monaten schwieg der Angeklagte eisern, einzig stille Tränen ließen immer wieder das Gefühlschaos ihn ihm erahnen. Kein Wunder: Das Verhältnis zu seinen Geschwistern ist durch die Vorwürfe zerrüttet, Richter Ebner sprach von "verbrannter Erde", die der Prozess innerhalb der in Neuburg und bei Pfaffenhofen wohnhaften Familien hinterlasse.

Gleichzeitig erlaubte sich der Richter einen ungewohnten persönlichen Einblick. "Selten wäre ich so gerne von der Unschuld eines Angeklagten überzeugt gewesen wie bei Ihnen." Doch letztlich habe die Beweislage gegen den Angeklagten gesprochen. Demnach stand für Ebner und die Schöffen zweifelsfrei fest, dass der Mann im vergangenen September seine Nichte bei einer Geburtstagsfeier in deren Elternhaus sowohl am Oberkörper als auch am Unterleib unsittlich berührt hatte. Dass es für diese Übergriffe mit Ausnahme des mittlerweile zwölf Jahre alten Mädchens keinerlei Zeugen gibt, hatte die Suche nach der Wahrheit in den vergangenen drei Monaten seit Prozessbeginn nicht gerade vereinfacht. "Wir haben aber keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kindes", stellte der vorsitzende Richter unmissverständlich fest. Das Mädchen habe keinerlei Grund, seinen Onkel falsch zu belasten. Gleichzeitig hätten sich keine gravierenden Widersprüche in seiner Aussage gezeigt. Auch eine vom Gericht bestellte Sachverständige bescheinigte dem Kind eine hohe Glaubwürdigkeit. Ein Gutachter, der im Auftrag der Verteidigung den Fall begleitete, schloss unterdessen zumindest nicht aus, dass die Übergriffe erfunden sein könnten.

Auf diesen kleinen Zweifel stützte sich auch die Verteidigung, die sehr wohl eine Beeinflussung des Kindes durch dessen Eltern sah. Rechtsanwalt Michael Barleben ging daher davon aus, dass die Schülerin die vermeintlichen Übergriffe durch die Nachforschungen ihrer Mutter und ihres Vaters nur erfunden hatte. Aus seiner Sicht stand letztlich Aussage gegen Aussage, weshalb er ebenso wie seine Kollegin Isabella Komm einen Freispruch forderte. Pflichtverteidiger Jörg Gragert erweiterte diesen Antrag und forderte für den Fall einer Verurteilung eine Bewährungsstrafe. Genau diese hielt Staatsanwältin Isabell Wirsching für nicht vertretbar. Zwar ging auch sie von einem minder schweren Fall aus, dieser stelle aber einen massiven Vertrauensbruch dar. Die Anklagevertreterin plädierte daher auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten.

Zwei weitere mutmaßliche Übergriffe gegen ein Kind aus Neuburg, die mittlerweile fast drei Jahre zurückliegen sollen, hielten sämtliche Beteiligten hingegen nicht für beweisbar. Das bedeutet dem Richter zufolge nicht automatisch, dass das heute elf Jahre alte Mädchen gelogen hat. "Für eine Verifizierung und damit für eine Verurteilung reicht das aber nicht."