stadtgeflüster
Wo Autos auf den Feldern wachsen

23.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:26 Uhr

(rh) Ein 14-jähriges Flüchtlingsmädchen schickt aus dem Ingolstädter Ankerzentrum per Smartphone seine erste Botschaft seit der Ankunft in Deutschland an die Großmutter daheim in Afrika:"Liebe Oma, ich bin jetzt schon seit ein paar Wochen mit Mama und der Kleinen hier im Lager.

Uns geht es so weit ganz gut. Mama weint ganz oft, aber das wird schon wieder besser. Der Ort heißt, glaube ich, Ingolstadt. Davor steht noch eine andere kleine Stadt mit einem lustigen Namen wie Zucker oder so ähnlich, da war ich schon mal in einem Supermarkt und hab was gekauft. Manche Leute hier sind ganz nett und helfen uns, manche schauen so böse auf uns, wie wenn wir ihnen alles wegnehmen wollen. Im Lager hat jeder von uns sein eigenes Bett und wir kriegen genug zu essen. Selber kochen darf Mama aber nicht, das ist hier streng verboten. Mama kriegt für uns auch ein kleines Taschengeld, das wird ausgeteilt.

Ganz komisch finde ich ja, was die Leute hier auf ihren Feldern machen. Stell dir vor, bei uns ganz in der Nähe vom Lager haben sie auf einer riesengroßen Wiese lauter neue Autos geparkt. So viele Autos auf einmal hab ich noch nie gesehen. Es waren gestern genau 2135 Stück, ich hab selber nachgezählt, wie ich dort vorbei gelaufen bin. Keine Ahnung, warum die das machen. Die Autos sind so ordentlich aufgestellt und glänzen alle wie verrückt, da kommt bestimmt in der nächsten Woche ein Bürgermeister vorbei oder vielleicht ein Pfarrer, um sie zu segnen. Dann spielen sie Musik dazu, die können wir im Lager mithören. Wenn ich dir das nächste Mal schreibe, weiß ich schon wieder mehr über Deutschland und unsere große Autowiese.

Liebe Oma, am liebsten wäre ich jetzt bei dir daheim, aber du weißt ja, warum wir abhauen mussten.

Viele Grüße von Mama und uns beiden. Bis bald deine. . . "