Mogelpackung Gesundheitsfonds

17.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:40 Uhr

Für eine liberale Gesundheitsreform: Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Niedersachsen, Philipp Rösler, Stadträtin Christel Ernst, FDP-Kreisvorsitzender und Landtagskandidat, Philipp Philippson, und die Neuburger Kreisvorsitzende Bettina Häring. - Foto: Stückle

Ingolstadt (rl) Er sei "eine echte Mogelpackung", bringe weniger statt mehr Wettbewerb, dafür aber neue Bürokratie und steigende Krankenkassenbeiträge. An dem zum 1. Januar 2009 in Kraft tretenden Gesundheitsfonds, der für alle gesetzlichen Krankenkassen einen von der Bundesregierung festgelegten einheitlichen Beitragssatz vorschreibt, ließ Philipp Rösler, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion Niedersachsen, Vorsitzender der FDP Niedersachsen und selbst Mediziner, kein gutes Haar.

Bei einer gemeinsamen Veranstaltung der FDP-Kreisverbände Ingolstadt und Neuburg am Freitag im Gasthof Anker stellte der FDP-Gesundheitsexperte als Alternative die liberale Gesundheitsreform vor: Mit einer verpflichtenden Versicherung für Basisleistungen, die alle Grundbedürfnisse abdecken soll, zusätzlichen Wahlmöglichkeiten, Altersrückstellungen und einer Kostenerstattung anstelle des bisher geltenden Sachleistungspinzips. "Es schärft das Bewusstsein für Krankheitskosten ungemein, wenn die Rechnung erst dem Patienten zugeschickt wird." Der Staat soll sich, wenn es nach dem Willen der Liberalen geht, weitgehend aus dem Gesundheitswesen zurückziehen und nur noch "den groben Rahmen vorgeben". Im Gegensatz zur SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die private Krankenversicherungen "am liebsten abschaffen würde", setzt die FDP auf privaten Krankenversicherungsschutz mit einer sozialen Absicherung für alle. Nachteil sei ein hoher Zuschussbedarf für Basisleistungen aus Steuermitteln in der (langen) Umstellungsphase.

Dass nur ein Dutzend Besucher zu der Veranstaltung kamen, dürfte mit dem am Feiertag Mariä Himmelfahrt angesetzten Termin zu tun haben. Bei einer anschließenden Diskussion wurde neben unterschiedlichen Ansichten über die Bedeutung von Prophylaxe zur Gesundheitsvorsorge oder der Frage, ob Motorradfahrer die Versicherungen "in eklatanter Weise schädigen", von einem niedergelassenen Facharzt auch Kritik am "etwas blassen Erscheinungsbild der FDP" geäußert.

Kräftige Farben haben die Plakate, mit denen der Ingolstädter Kreisvorsitzende und Landtagskandidat, Philipp Philippson, um Stimmen wirbt. Sie lassen mit knallgelber Schrift auf schwarzem Hintergrund auch gleich die Koalitionsbereitschaft der Liberalen mit der CSU in Bayern erahnen. Als Rezept gegen das kranke Gesundheitssystem plädiert die FDP für eine "Reform mit Langzeitwirkung". Zur Bekräftigung steht auf Handzetteln, die den für den Arztberuf symbolischen Aeskulapstab zeigen: "Schwarz-Rot schadet Ihrer Gesundheit".

Das Gesundheitswesen sei mit 4,2 Millionen Arbeitsplätzen "die größte Wirtschaftsbranche in Deutschland", meinte Rösler zu Beginn seines Vortrages. Zum Vergleich: In der Automobilindustrie sind 780 000 Menschen beschäftigt. Der Umsatz werde sich bis zum Jahr 2020 auf 500 Milliarden Euro verdoppeln. Die Menschen werden immer älter, die Medizintechnik immer innovativer. Die Folge: "Das Gesundheitswesen wird schneller wachsen als die Gesamtwirtschaft."