Betrug durch Anwalt zieht weiter Kreise

07.02.2008 | Stand 03.12.2020, 6:09 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Der Fall des zehnjährigen Nico beschäftigt seit gestern die Justiz. Der Vater des Buben, dem ein Hund die Nase abgebissen hatte, klagt gegen die Tierhalter respektive deren Versicherung. Die Victoria soll bei Schmerzensgeldabfindungen nicht korrekt gehandelt haben. Ein Urteil gibt es nicht vor Mai.

Nico und seine Eltern sind Opfer der betrügerischen Rechtsanwälte Rainer M. (64) und Max S. (51), die zahlreiche Mandanten um ihr Geld gebracht hatten. Der Schaden beläuft sich auf insgesamt rund 1,3 Millionen Euro. Nicos Vater Dirk Poniatowski ist einer der Betroffenen. Er hatte – wie mehrfach berichtet – die Kanzlei im Jahr 2004 nach dem schrecklichen Unfall mit dem Hund damit beauftragt, ihn zu vertreten. Rainer M. hatte mit der Victoria-Versicherung als Assekuranz der Tierhalter verhandelt und 45 000 Euro als Schmerzensgeld und Abfindung erhalten. Dafür unterzeichnete er ohne Wissen seines Mandanten eine Erklärung, wonach alle weiteren Forderungen abgegolten sind. Das Geld steckte der heute 64-Jährige bis auf 2500 Euro selber ein.

Dirk Poniatowski hatte nur durch einen Zufall davon erfahren. Der 38-Jährige und sein Anwalt Hermann Sättler sehen eklatante Versäumnisse bei der Versicherung, weil sie die Abfindungserklärung ohne Unterschrift der Eltern akzeptierte. "Das ist absolut ungewöhnlich", sagte Sättler gestern vor der 3. Zivilkammer am Landgericht. Bei der Victoria hält man dagegen: Es habe eine Vollmacht für Rainer M. vorgelegen, er habe vorgegeben, in ständigem Kontakt mit den Poniatowskis zu stehen, sagte die Rechtsvertreterin der Versicherung, Christine Volohonsky. Sie gab zu verstehen, dass die Victoria aber bereit wäre, wegen der Tragik des Falles und nicht aus rechtlicher Verpflichtung im Vergleich weitere 20 000 Euro zu leisten, um das Verfahren zu beenden.

Für Richterin Birgit Piechulla liegt die bisherige Schmerzensgeldzahlung der Victoria "absolut im Rahmen" des Üblichen. Sie ermahnte dazu, das Menschliche vom Juristischen zu trennen, wobei sie emotionale Reaktionen gut nachvollziehen könne. Rein rechtlich betrachtet erkenne sie den Grund der Klage nicht. "Da ist nichts, was der Versicherung hätte auffallen müssen." Beim nächsten Termin am 8. Mai sollen die damaligen Schmerzensgeldverhandlungen mit dem betrügerischen Anwalt beleuchtet werden.

Dirk Poniatowski betonte, dass es ihm nicht ums Geld gehe. Er wolle nur erreichen, dass die Victoria weiter in der Pflicht stehe, damit "mein Sohn mal selber entscheiden kann, wie’s weitergeht, wenn er 18 ist." Der Bub hat bis heute eine verstümmelte Nase, versteckt unter einem dicken Pflaster. Sein Vater hatte bisher geglaubt, die Victoria müsste alle OP-Kosten bezahlen. Dafür ist aber die AOK zuständig, die zwischenzeitlich erklärt hat, bei medizinischer Notwendigkeit einzuspringen. Die Krankenkasse kann sich aber bei der Victoria schadlos halten – und die wird auch weiter dafür aufkommen, erklärte deren Anwältin gestern. Der Zivilprozess könnte allerdings so enden, dass die Familie Poniatowski neben den von Rainer M. unterschlagenen 42 500 Euro nun auch noch die angebotenen 20 000 Euro verliert, wenn die Klage abgewiesen wird.