Ein Richter treibt es bunt

01.02.2008 | Stand 03.12.2020, 6:10 Uhr

Malender Strafrichter: Für ein Foto lässt Michael Fein schon einmal die Robe an, wenn er zu Pinsel und Palette greift. Neben abstrakter Kunst widmet der Jurist sich in jüngster Zeit zunehmend Stadtansichten. Dieses Werk hängt im Amtsgericht. - Foto: Richter

Ingolstadt (DK) Das Leben ist prall und bunt. Michael Fein stellt das immer wieder fest. "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht überrascht bin, was alles geboten ist", sagt er. Der 44-Jährige ist ein Mensch, der seine Eindrücke mit allen Sinnen aufsaugt und verarbeitet.

Doch nur so zu denken und nichts dazwischen zuzulassen, verbietet sich für den gebürtigen Münchner, den es 1995 nach Ingolstadt verschlagen hat, und so sieht er auch die zahllosen Zwischentöne. Im Privatleben gibt es für ihn ebenfalls viele Nuancen – und mitunter treibt er es selber ziemlich bunt. Michael Fein ist Künstler, der als Maler die Farben großflächig auf die Leinwand bringt.

Der Begriff Leinwand ist genau genommen falsch, denn Fein malt auf ganz eigene Art: Als Untergrund dienen ihm gebrauchte (und natürlich gewaschene) Betttücher. Bilder aus Träumen quasi, zumindest "hat schon jemand darauf geschlafen", sagt er. Was in seiner Studentenzeit aus Geldnot geboren wurde, hat mittlerweile System. Zur Malerei sei er gekommen, weil er sich damals großformatige Bilder nicht habe leisten können. Heute bleibt er beim bewährten Untergrund, und auch sonst geht er ungewöhnliche Wege: "Ich nehme ganz normale Wandfarbe aus dem Baumarkt." Das Material für die Rahmen stammt ebenfalls von dort: einfache Dachlatten.

Schwarz und Weiß – diese Extreme mögen für den Amtsrichter Fein nicht gelten. Der Künstler Fein sieht darin aber die Anfänge seiner malerischen Tätigkeit. "Als Kind habe ich nur mit Schwarz auf weißem Untergrund gezeichnet. Heute male ich auch farbig, aber ich beschränke mich oft auf die Grundfarben: Rot, Grün und Blau."

Thematisch ist der 44-Jährige völlig offen. Die Menschwerdung hat ihn lange fasziniert. Er zeigt auf ein archaisch anmutendes Bild in seinem Büro. Es ist Szenen nachempfunden, wie man sie von Höhlenmalereien aus der Steinzeit kennt. Die Kraft des Pinselauftrags ist darauf förmlich zu spüren. Der Zwölf-Quadratmeter-Raum im Kaisheimer Haus, wo Feins Schreibtisch steht, ist gespickt mit großflächigen Werken, 14 an der Zahl. Grafiken und Formen haben es ihm angetan. Seine Bilder im XXL-Format hängen in verschiedenen Gerichtsgebäuden im Bezirk.

Daheim hat Michael Fein "inzwischen jeden Quadratmeter vollgestellt". Seine Frau und die drei Kinder haben sich daran gewöhnt. Auch daran, dass der Künstler, wenn er die Robe ausgezogen und die Fliege (aus Holz!) abgelegt hat, sich schon mal selber mit roter Farbe beschmiert, um seinen Körperabdruck auf Leinwand respektive aufs Betttuch zu bannen. Herausgekommen ist ein eigenwilliges Selbstporträt, erkennbar nicht zuletzt am unverwechselbaren Pferdeschwanz des malenden Amtsrichters. Eine dynamische Figur im Sprung, könnte man meinen, doch es gibt auch andere Interpretationen: "Ein Kollege hat es für eine Leiche am Tatort gehalten", schmunzelt Fein.

Ob naive, abstrakte oder konkrete Kunst, nichts ist dem 44-Jährigen fremd. Nebenbei macht er noch Musik, spielt Bass, Gitarre und Schlagzeug. Den MP3-Spieler bestückt er mit Eigenproduktionen. In jüngster Zeit wendet er sich mehr und mehr plakativen Stadtansichten zu. Im Kollegenkreis wird derweil gerätselt, was es mit seinem Bild im Landgericht auf sich hat, es hängt in der Halle. Das scheinbare Zeichengewirr ist eine von Michael Fein entworfene Geheimschrift. "Wer den Spruch errät, den lade ich zum Essen ein." Bis jetzt, so meint der Künstler augenzwinkernd, habe sich noch niemand gemeldet.