Wettstetten
Als Lernhelfer in den Anden

Wettstettener Abiturient unterrichtet Kinder von Mitarbeitern eines peruanischen Missionskrankenhauses

16.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:12 Uhr

Unterstützung beim Lernen: Der Wettstettener Abiturient Bennet Gülich hilft Melissa, Salome und Alina bei den Hausaufgaben. - Foto: Privat

Wettstetten/Curahuasi (DK) Der 18-jährige Bennet Gülich aus Wettstetten absolviert derzeit sein Freiwilliges Soziales Jahr in der Provinz Apurímac in Peru. Entgegen der Mode ist sein Hauptziel nicht die Ruinenstadt Machu Picchu, sondern ein Missionskrankenhaus in den Anden.

Dieses wird oft als "Armenhaus Perus" bezeichnet. Hier werden die Nachfahren der Inkas oft wie Menschen dritter Klasse behandelt, heißt es. Die Situation in der Region ist schwierig. Viele Kinder sterben bereits im Säuglingsalter. Nicht nur aus Mangel an Ärzten - auf 10 000 Menschen kommen gerade mal vier Mediziner (in Deutschland: 33). Die Peruaner können sich oft nicht einmal die Fahrt zum Krankenhaus in die nächste Stadt, geschweige denn die Behandlung leisten.

Das Wiesbadener Ärzte-Ehepaar Klaus-Dieter und Martina John hat aus christlicher Überzeugung nach dem Vorbild von Albert Schweitzer mithilfe eines großen Unterstützerkreises eine medizinische Versorgung ermöglicht. Das Armenkrankenhaus Diospi Suyana (Quechua: "Wir vertrauen auf Gott") in Curahuasi wurde trotz unzähliger finanzieller und bürokratischer Hürden im August 2007 eingeweiht und entspricht westlichen Standards. "Moderne Medizin hilft hier den ärmsten Menschen", fasst der Chirurg Klaus-Dieter John zusammen. Seit der Einweihung sei das Krankenhaus stetig gewachsen, eine Augen- und Zahnklinik seien hinzugekommen, später ein Kinderclubhaus, eine internationale christliche Schule und ein Medienzentrum.

Rund 60 Mitarbeiter aus dem Ausland arbeiten ehrenamtlich mit 180 peruanischen Kollegen im Armenkrankenhaus zusammen. Seit Oktober ist der Abiturient aus Wettstetten Teil des Projekts. Wieso er sich gerade für Peru entschieden hat, ist leicht erklärt. "Ich wollte nach der Schule einfach mal was anderes machen, und das gerne in Lateinamerika. Diospi Suyana kenne ich von meinen Eltern, und die Idee, hier ein Jahr mitzuhelfen, hat mich begeistert", sagt Gülich. "Ich spreche ganz gut Spanisch und möchte Lehrer werden, da bietet sich eine Mitarbeit in der Schule natürlich an." Gülich ist als Lernhelfer nach Curahuasi gereist - vor allem, um zwei deutsche Familien, die als Ärzte, Techniker und Verwaltungsmitarbeiter im Krankenhaus arbeiten, bei den Fernschulkursen ihrer Kinder zu unterstützen. Um auf deutschem Bildungsstand zu bleiben, erledigen die Kinder täglich ein zusätzliches Pensum zum peruanischen Unterricht. In den Pausen ist der 18-Jährige auch für die peruanischen Schüler Ansprechpartner. "Viele Kinder wachsen hier wirklich verwahrlost auf, das ist nicht schön zu sehen. Aber Gott hat ein großes Herz gerade für Arme. Und für Kinder sowieso", ist er sich sicher.

Sein Tagesablauf sei fast wie zu eigenen Schulzeiten, die er gerade hinter sich gelassen hat: Um 7.10 Uhr geht es los zum Colegio Diospi Suyana, um 7.30 Uhr beginnt der Unterricht mit Fernschulmaterial, zu dem seine fünf Schützlinge einzeln oder zu zweit in ein Extra-Klassenzimmer kommen. Zwischendurch nimmt Gülich selbst Spanischunterricht. An drei Nachmittagen und am Samstagvormittag ist er bei den Kindern zu Hause. "Da machen wir alles: Hausaufgaben, lernen, spielen, backen. Für die Kinder bin ich eine Mischung aus großer Bruder, Kumpel und Lehrer. Meine Hauptaufgabe: mich in Engelsgeduld zu üben", lacht der junge Mann. Trubel sei er aber von zu Hause gewohnt - immerhin ist er das älteste von vier Kindern.

Kinderärztin Dorothea Brady und ihr Mann, Urologe David Brady, deren Kinder Bennet betreut, erzählen von ihrer Motivation, bei Diospi Suyana mitzuarbeiten: "Wir sind seit 2007 in Curahuasi und wollten immer schon als Missionsärzte im Ausland tätig sein. Rein humanistisch gesehen ist es wertvoll, den Armen zu helfen", sagen sie. "Aber unser Hauptbeweggrund ist, dass die Patienten von der Liebe Jesu erfahren und mit dieser Hoffnung nach Hause gehen sollen."

Das doppelte Schulsystem für ihre Kinder Anna (13), Konstantin (10) und Salome (9) beschreiben sie als Herausforderung: Neben dem peruanischen Schulunterricht müssen die drei ihre Fernschulkurse erledigen. "Da ist Bennet als Lernhelfer eine Riesenentlastung. Wir sind sehr dankbar für seine geduldige Unterstützung", sagt Dorothea Brady.

Der 18-Jährige findet dieses System der gegenseitigen Hilfe klasse: "Viele tragen durch Spenden dazu bei, den Lebensunterhalt der Krankenhausmitarbeiter und den Krankenhausbetrieb zu finanzieren. Ich durch meinen neunmonatigen Einsatz als Lernhelfer, weil dadurch zwei Familien mehr Freiraum haben und ihren Kindern der Rückweg an eine deutsche Schule offengehalten wird." Dafür nehme er selbst gerne ein weiteres Jahr Schulalltag in Kauf.