Ingolstadt
Entlastung aus Rumänien

Zeuge bestätigt die Aussage von Alt-OB Lehmann, er habe den Innenausbau übernehmen sollen

26.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:33 Uhr
Die Luxuswohnung Lehmanns im zweiten Obergeschoss dieses Hauses beschäftigte am Mittwoch erneut das Gericht. Es ging - wieder einmal - um den Innenausbau. −Foto: Eberl/Hauser

Ingolstadt (DK) Wenn der wegen Bestechlichkeit und Untreue in Verbindung mit zwei Immobiliengeschäften angeklagte Ingolstädter Altoberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) im Großen Sitzungssaal des Landgerichts Ingolstadt am Mittwoch richtig ins Schwitzen kam, hat das mit dem Prozess nur am Rande zu tun.

War es an den ersten Verhandlungstagen der 1. Strafkammer im Fall Lehmann noch winterlich kalt, so herrschten am 17. Verhandlungstag fast schon tropische Temperaturen. Dennoch trug der Angeklagte - zumindest im Sitzungssaal - ein sommerliches Sakko, diesmal allerdings verzichtete er auf die Krawatte. Der suspendierte Regensburger OB Joachim Wolbergs (SPD) hatte tags zuvor bei seinem Korruptionsprozess sein Recht auf das letzte Wort mit hochgekrempelten Hemdsärmeln wahrgenommen. Überhaupt gibt sich Lehmann, von 2002 bis 2014 Rathauschef in Ingolstadt, im Prozess staatsmännischer als sein Regensburger Kollege. Seitenhiebe gegen die Staatsanwaltschaft verteilt auch er. Doch sie fallen sehr viel moderater aus als bei Wolbergs, der die Vertreter der Anklage nicht nur einmal öffentlich beschimpft hat.

Laut Anklageschrift soll Lehmann darauf hingewirkt haben, dass ein ebenfalls angeklagter Bauträger aus dem Kreis Pfaffenhofen den Zuschlag für den Verkauf eines Baufeldes des ehemaligen städtischen Krankenhauses in der Sebastianstraße erhält. Außerdem soll dem Unternehmer durch seine Einflussnahme eine fällige Nachzahlung erspart worden sein, weshalb der Krankenhauszweckverband als Eigentümer des Areals um rund 650000 Euro geschädigt worden sein soll. Im Gegenzug soll Lehmann in dem auf dem Gelände entstehenden Neubau eine Luxuswohnung zu vergünstigten Konditionen gekauft haben. Zum Schein als Rohbauvertrag gekauft, soll der Ausbau der Wohnung tatsächlich von dem Bauträger bezahlt worden sein, so der Vorwurf. Lehmann weist dies bekanntlich zurück. Seine Erklärung, er habe den Innenausbau der Wohnung auf Anraten seiner rumänischstämmigen Frau zunächst von einer rumänischen Fachkraft machen lassen wollen, sei davon jedoch wegen gesundheitlicher Probleme und nach einem Zwist mit der Ehefrau abgekommen, wurde durch die Aussage eines aus Rumänien angereisten Zeugen gestützt.

Für seine Aussage benötigte der 46-Jährige einen Dolmetscher. Der Zeuge steht mit dem Ehepaar Lehmann in "freundschaftlicher Beziehung", seine Frau kenne die Frau Lehmanns seit über 20 Jahren. Von September 2012 bis Mai 2013 hat der Mann, der in Rumänien einen Ein-Mann-Betrieb im Baugewerbe betreibt, in Ingolstadt gelebt. Er habe, nachdem er etwa 15 Jahre als Angestellter in Italien gearbeitet habe, versucht, sich in Deutschland niederzulassen, brach seine Geschäfte jedoch im Mai 2013 ab und ging zurück nach Rumänien, wo er heute mit Frau und Kind lebt. Vorher war er als Angestellter einer Baufirma in Neuburg tätig - bei jener Firma, bei der Lehmann später als Berater tätig war.

Ende 2012 habe es ein Treffen mit Lehmanns Ehefrau gegeben, die ihm gesagt habe, dass sie eine Wohnung kaufen würden und gefragt habe, ob er den Innenausbau übernehmen wolle. Etwa um Ostern 2013 habe er sich dann mit dem Ehepaar Lehmann getroffen, um Näheres zu besprechen. Zu einer schriftlichen Angebotsabgabe kam es nicht. Bei dem Gespräch sei von einem Kauf im Rohbauzustand die Rede gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war mit dem Bau des Gebäudes noch gar nicht begonnen gewesen. Über konkrete Preise habe man deshalb nicht gesprochen. Als grobe Einschätzung habe er einen Schätzpreis von 20 Euro pro Stunde plus Mehrwertssteuer genannt.

Dann habe er lange Zeit nichts mehr gehört, nur die beiden Frauen riefen sich noch zu Geburtstagen und an Feiertagen an. Irgendwann habe er mit Frau Lehmann telefoniert und nach dem Ausbau gefragt. Sie habe ihm von familiären Problemen berichtet. "Dann kam das Thema (Innenausbau, Anm. d. Red.) nicht mehr zur Sprache." Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Jochen Bösl, wann dies gewesen sei, meinte er: "Ich denke, das war 2015."

In einer Erklärung erläuterte Lehmann am Mittwoch noch einmal seine Sicht der Dinge. Er ging auf mehrere Punkte ein, die ihm bezüglich der beiden Komplexe Sebastianstraße und Pioniergelände vorgeworfen werden, und wollte überdies "klarstellen", nichts mit verschwundenen Akten im Klinikum oder bei der IFG zu tun zu haben. "Hier wird eine belastende Atmosphäre geschaffen." Tatsächlich soll der frühere Klinikums-Geschäftsführer Fastenmeier ihn selbst belastende Daten gelöscht haben, wie Lehmann, der sich auf Aussagen des früheren Ombudsmannes des Klinikums bezog, ausführte. Dieser habe in einem Bericht darauf hingewiesen, dass es denkbar sei, dass aufgrund der langwierigen Ermittlungen der Wirtschaftsprüfer Daten verschwunden seien.

Lehmann untermauerte seinen Eindruck, dass Fastenmeier ihm deutlich feindlicher gesinnt gewesen sein soll, als von der Polizei angenommen. In einer weiteren Mail des damaligen Klinikchefs aus dem Jahr 2014 an seine persönliche Referentin in Zusammenhang mit einer angeblichen Grenzüberschreitung zum Nachbargebäude soll er geschrieben haben: "So steigt der Wert an Günther (der Deckname Fastenmeiers für Lehmann) und vielleicht gibt's noch eine Küche dazu". Lehmann schlussfolgert: "Für mich wird eine Welt der Decknamen, anonymen Briefe und Illuminaten sichtbar."

Der Prozess wird am 4. Juli um 13 Uhr fortgeführt.

 

Ruth Stückle