Vohburg
"Wittenberg ein Hotspot der Reformation"

Riedenburgs Pfarrerin Stephanie Mages und Vohburgs Pfarrer Reinhard Wemhöner gestalten Vortragsreihe

17.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:38 Uhr

Stemmen gemeinsam eine Vortragsreihe: Pfarrerin Stephanie Mages aus Riedenburg und Pfarrer Reinhard Wemhöner von der evangelischen Kirchengemeinde Vohburg. - Foto: Schmied

Vohburg (DK) Im Jahr 1517 soll Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen und damit eine der größten Umwälzungen der Kirchengeschichte angestoßen haben: die Reformation. 500 Jahre danach würdigen die evangelischen Kirchengemeinden den Reformator mit vielen Veranstaltungen. Pfarrerin Stephanie Ma-ges aus Riedenburg und Pfarrer Reinhard Wemhöner aus Vohburg erläutern Anfang März die Reformation aus Männer- und Frauensicht in Vohburg. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklären sie, was sie zum Gegenstand ihrer Vorträge machen wollen, was vom Wirken der Reformatorinnen und Reformatoren heute noch spürbar ist und nicht zuletzt, wie sich die Rolle der Frau durch die Reformation verändert hat.

Frau Mages, Herr Wemhöner, Sie werden in Ihren Vorträgen die Reformation einmal aus der Männerperspektive, einmal aus Sicht der Frauen darstellen. Warum haben Sie sich dieses Thema ausgewählt?

Stephanie Mages: 2017 ist das Jubiläumsjahr der Reformation. Im Zuge dessen gibt es im ganzen Dekanat Ingolstadt verschiedene Veranstaltungen in den einzelnen Kirchengemeinden, so auch in Vohburg oder in Riedenburg. Da die Zusammenarbeit gerade zwischen diesen beiden Gemeinden sehr innig und gut ist, haben Reinhard Wemhöner und ich uns überlegt, dass wir gemeinsam eine Vortragsreihe machen. Die Thematik interessiert uns selbst sehr, und es hat uns gereizt, uns noch einmal einzulesen. Die Aufteilung in Männer- und Frauensache hat sich dabei ganz natürlich angeboten: Er ist Pfarrer, ich bin Pfarrerin.

Reinhard Wemhöner: Ich denke, wir tun ganz gut daran, über dieses Thema zu informieren - gerade auch in unseren jeweiligen Regionen, wo die Evangelischen eine kleine Minderheit der Bevölkerung sind. Dabei wollen wir nicht nur die eigenen Leute ansprechen, sondern eben auch die anderen, die erst einmal nicht so intensiv mit dem Thema Reformation vertraut sind und jetzt im Jubiläumsjahr mit Artikeln, Filmen und anderen redaktionellen Beiträgen über die Maßen bedient werden.

 

Ist die Anordnung der Vorträge - erst Männersache, dann Frauensache - bewusst gewählt? Oder hat sich das zufällig ergeben?

Mages: Eigentlich war es Zufall. Im Nachhinein macht es aber sehr viel Sinn. Oft ist es so, dass die Reformation als klassische Männergeschichte gesehen wird. Man kennt Martin Luther als den großen Reformator und vielleicht noch ein paar große Gestalten auf katholischer Seite, die in der Gegenreformation aktiv waren. In der allgemeinen Wahrnehmung sind die Männer also präsenter. Es macht Sinn, mit ihnen zu starten, um das Thema ins Bewusstsein der Menschen zu rücken, dann aber den Blick über Luther hinaus zu werfen und zu sagen: Das war es noch nicht. Da gibt es auch noch die Frauen.

 

Herr Wemhöner, welche Themen wollen Sie aufgreifen?

Wemhöner: Ich werde natürlich auf die großen Themen der Reformation eingehen und auch den Vorlauf dazu beleuchten. Die Sache hat ja nicht 1517 begonnen, sondern es gibt einen historischen Anmarschweg, den man sich anschauen sollte. Zudem geht es um den Weg, den die beiden Kirchen getrennt und gemeinsam gegangen sind - mit allen Tiefen und den allmählichen Beruhigungen, die sich inzwischen Gott sei Dank ergeben. Das wird mein Schwerpunkt sein. Natürlich werde ich auch einige große Reformatoren betonen. In theologiegeschichtlichen Details werde ich mich aber nicht verlieren.

 

Welche Reformatoren werden eine Rolle spielen?

Wemhöner: Wichtig ist in erster Linie der Ort Wittenberg. An diesem Ort waren neben Martin Luther auch Lucas Cranach, Philipp Melanchthon und Johannes Bugenhagen tätig. Sie wohnten jeweils in Rufweite zusammen. So war das damals und so ist aus Wittenberg auch ein Hotspot der Reformation geworden in dem riesigen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

 

Frau Mages, wie sieht Ihr Teil der Vortragsreihe aus?

Mages: Ich versuche, den Blick zunächst auf die Situation der Frauen vor der Reformation zu richten. Was war das klassische Lebensmodell? Wie sah es mit der Bildung der Frauen aus? Davon ausgehend will ich aufzeigen, wie sich die Stellung der Frau durch die Reformation verändert hat. So wurde die Frau dann noch mehr als Ehefrau und Mutter geschätzt. Man muss aber dazu sagen, dass die Option, ein Leben im Kloster zu wählen und so auch Bildung zu erhalten, weggefallen ist - das ist durchaus als Schattenseite der Reformation zu beurteilen. Der Vortrag soll aber auch aufzeigen, wie die Reformatoren selbst die Frauen allgemein und besonders ihre jeweiligen Ehefrauen gesehen und geschätzt haben. Dabei werde ich drei große Damen der Reformationsgeschichte beleuchten: Katharina von Bora, Luthers Ehefrau als die bekannteste Frau der Reformation, Katharina Zell und Argula von Grumbach.

 

Sie haben von der Schattenseite gesprochen: Könnte man die Reformation, gerade was das Frauenbild angeht, auch als Rückschritt in Sachen Emanzipation interpretieren - sofern man in dieser Zeit von Emanzipation sprechen kann?

Mages: Als Rückschritt würde ich es nicht bezeichnen. Durch die Reformation wurden Frauen schon auch sehr bewusst wahrgenommen - allein dadurch, dass sie nicht mehr im Klosterleben sein konnten und in der Rolle der Pfarrersfrau automatisch ins Licht der Öffentlichkeit rückten. Und wenn sie dann ihre Stimme erhoben haben, dann war auch ihr Wort in der Öffentlichkeit und nicht mehr hinter Klostermauern wie davor. Dennoch: Gerade hinsichtlich der Bildung der Frauen ist die Reformation ein zweischneidiges Schwert.

 

Warum?

Mages: Davor war ein Kloster wirklich ein guter Ort auch für Mädchen, die dort von Grund auf eine sehr gute Schulbildung wie etwa Kenntnisse in Latein oder Medizin vermittelt bekamen. Durch die Reformation ist diese Option als Lebensentwurf für die evangelische Frau weggefallen. Sie wurde in gewisser Weise in die Rolle der Ehefrau und Mutter gedrängt, die als Idealbild der Frau präsentiert wurde.

 

Was ist vom Wirken der Reformatorinnen und Reformatoren heute noch zu spüren?

Mages: Um es aus der weiblichen Perspektive zu sagen: Die Frauen waren Vordenkerinnen. Sie waren vielleicht nicht die Ersten - gerade im Mittelalter gab es bekannte Klosterdamen -, aber dennoch Persönlichkeiten, die ganz bewusst in der Öffentlichkeit ihre Frau gestanden und in theologischen Debatten das Wort ergriffen haben. Letztlich muss man sagen, dass seit den 1970er-Jahren auch die Frauen in Bayern davon profitieren, indem es nun die Frauenordination gibt und Frauen alle Ämter in der evangelischen Kirche gleichberechtigt mit den Männern wahrnehmen dürfen.

 

Herr Wemhöner, wie würden Sie den Einfluss der Reformation beschreiben?

Wemhöner: Die scheinbare Homogenität der einen Kirche vor der Reformation ist durch die Reformation endgültig beendet gewesen. Es gab und gibt seither mindestens zwei flächendeckende Kirchensysteme in Deutschland. Das ist für manche katholische Theologen und Kirchenleitende nach wie vor ein Stachel im Fleisch. Man kann das so empfinden, auf der anderen Seite hat die Reformation meiner Meinung nach zu einer Bereicherung der intellektuellen Landschaft beigetragen, das nehme ich für uns in Anspruch.

 

Am 9. und 16. März werden Mages und Wemhöner die Reformation in Vohburg erläutern.

 

Das Gespräch führte

Kathrin Schmied.