Schuld
Die Wiederentdeckung der Langsamkeit

Karl-Heinz König hat einen Oldtimer-Bulldog hergerichtet und damit mehrmals die Alpen überquert

24.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:08 Uhr

Auf seinem Oldtimer-Bulldog ist er König: Karl-Heinz König auf seinem Eicher aus dem Jahr 1956 - Foto: Schmidl

Schuld war nur der Großvater. Und die Technisierung der Landwirtschaft. Denn wenn Karl-Heinz Königs Opa damals nicht den Wechsel vom Pferdefuhrwerk auf den Bulldog vollzogen hätte, als König noch ein Bub war, dann würde der heute 68-Jährige aus Großmehring nicht seit 2006 jedes Jahr mit einigen Freunden zu einer großen Tour aufbrechen und per Bulldog über die Alpen tuckern.

So aber genießt König mit den alten Bekannten aus der Gegend um Wasserburg am Inn, von wo er 1967 nach Großmehring kam, die Wiederentdeckung der Langsamkeit nach einem stressigen Berufsleben. Das war für ihn nach einer kleinen Herzattacke 2005 abrupt beendet.

Im gleichen Jahr schaffte sich König – Baujahr 1944 – den Bulldog der Marke Eicher mit 16 PS – Baujahr 1956 – an. Diesen und keinen anderen, denn genau ein solches Modell hatte auch der Großvater. Und während er kurz zuvor noch mit 200 PS täglich zu seiner Arbeit als Betriebsleiter einer Münchner Firma raste, genießt er im Ruhestand das gemächliche Vorankommen mit 16 PS und maximal 25 km/h. „Der Bulldog ist meine beste Tablette“, ist König überzeugt. Und er fügt an: „Ich habe immer nach der Uhr gelebt, das brauche ich jetzt nicht mehr“.

Ein halbes Jahr hatte der gelernte Kfz-Mechaniker, der diesen Beruf aber schon Jahrzehnte nicht mehr ausgeübt hatte, herumgeschraubt, bis er den Oldtimer wieder aufgepäppelt hatte. Es bedeutete für ihn eine „Auffrischung“. Und er lächelt, wenn er sagt, dass er nach langer Zeit „mal wieder schmierige Finger“ hatte.

Auf seiner ersten Fahrt mit dem Eicher nach Wasserburg war er allerdings „nervlich fertig“, gibt König zu. Aber nach diesen 120 Kilometern kehrte seine innere Ruhe ein. Es sei „eine Freude, mit der alten Maschine zu fahren“. Denn weil sie technisch und mechanisch einfach sei, „kann ich es richten, wenn etwas kaputt geht“. Selbst auf den langen Alpentouren bereitete der Bulldog König aber bisher keine Probleme.

In diesem Jahr bewegten sich König und seine Freunde mit ihren Bulldog-Oldtimern der Marken Eicher, Schlüter, Lanz, Fendt und MAN erstmals auf für sie neuem Terrain.

Denn während in den vergangenen Jahren stets Südtirol das Ziel war, wo sie bei Eppan eine Bleibe gefunden haben, fuhren sie diesmal nach Slowenien. Denn 2010 hatten sie am Stilfser Joch einen Oldtimer-Club aus diesem Land getroffen und dann ein Jahr später wieder auf der Seiser Alm, so dass die Bulldog-Fans überein kamen, die Slowenen in ihrer Heimat zu besuchen.

Nach der Rückkehr von dem zweiwöchigen Trip mit 1400 Kilometern Länge und 10 600 Höhenmetern zeigte sich König vor allem beeindruckt von den langen, abgelegenen Pässen mit teils sehr engen Kurven, etwa in den Karawanken oder auf der Nockalmstraße. Und natürlich vom Empfang in Ljubljana, wo sie von 30 gleichgesinnten Traktorfahrern empfangen und zum Wirtshaus geleitet wurden.

Dass man auf dem Bulldog alles gemächlich auf sich zukommen sieht, was neben den Straßen zu sehen ist, begeistert König. Das ist dann mehr als eine Belohnung für das stundenlange Sitzen auf dem Traktor. Denn gerade die Anreisetappen werden leicht mal zu Gewalttouren. Aber ständig von einem Treffen zum anderen zu fahren, ist nicht Königs Ding. „I muass ned des macha, wos andere aa macha“, sagt er.

Der Freundeskreis ist laut König „kein Verein, der nur Hully Gully macht“. Die Bulldogfahrer genießen die Fahrten auch deshalb, weil sie sich über die Orte, durch die sie kommen, schon im Vorfeld genau informieren. Und die Touren bleiben ihnen im Gedächtnis, weil sie im Nachhinein fein säuberlich dokumentiert werden – die Slowenienfahrt beispielsweise auf 52 Seiten.

In geselliger Runde gemeinsam Ziele anzusteuern, das ist für König und seine Wasserburger Freunde der im wahrsten Sinn des Wortes wichtigste Beweggrund. „Mir ham koan Vogel, mir ham an Bulldog“, sagt König deshalb. Und rückblickend auf das krankheitsbedingte Ende seines Berufslebens fügt er an: „Mir fehlt heute nichts. Aber wenn ich meinen Bulldog nicht hätte, würde mir was fehlen“.